nd-aktuell.de / 30.03.2010 / Politik / Seite 6

Schwerwiegende Versäumnisse

Tod in Abschiebehaft: Vorwürfe und Strafanzeige gegen Hamburger Behörden

Reinhard Schwarz, Hamburg
Nach dem Selbstmord eines jungen Georgiers, der in Abschiebehaft saß, werfen die Hamburger LINKE und der Flüchtlingsrat den Behörden der Hansestadt »grobe Fahrlässigkeit« vor.

Nach Auffassung der Bürgerschaftsfraktion der Hamburger LINKEN tragen Justizbehörde und Innenbehörde eine Mitschuld am Tod des jungen Georgiers, der sich am 7. März im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt erhängt hat. »Die zuständige Ausländer-, Innen- und Justizbehörde haben in der Angelegenheit David M. grob fahrlässig gehandelt und sind deshalb für dessen Tod verantwortlich«, wirft Mehmet Yildiz, migrationspolitischer Sprecher der LINKEN, den Behörden vor. Diese hätten ihre Pflichten vernachlässigt und die Signale, die David M. von Anfang an gegeben habe, nicht beachtet. Die Sprecherin der Justizbehörde, Pia Kohorst weist diese Vorwürfe zurück: »David M. wurde medizinisch und psychologisch untersucht und wurde als nicht suizidal eingeschätzt.«

Auf Initiative der Linksfraktion wurde der Fall vergangene Woche im Rechtsausschuss behandelt. Nach Angaben der LINKEN konnten jedoch die Ausführungen von Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Justizsenator Till Steffen (GAL) »die Zweifel, dass schwerwiegende Versäumnisse im Umgang mit David M. vorliegen, nicht ausräumen«.

Mehmet Yildiz' Vorwürfe basieren auf der Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der SPD. Darin heißt es zur psychologischen Betreuung M.s: »Nach einem Gespräch mit dem zuständigen Psychologen am 17. Februar 2010 konnte von diesem eine mögliche Selbstverletzung oder -tötung zunächst nicht ausgeschlossen werden, so dass am 17. Februar 2010 vorsorglich besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet wurden. Herr M. wurde im Weiteren engmaschig ärztlich betreut.«

Mittlerweile hat der Flüchtlingsrat Hamburg Strafanzeige gegen die Justizbehörde, die Innenbehörde, den Senat der Hansestadt und nachgeordnete Beamte gestellt – wegen Nötigung, Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung und Missachtung aller gesetzlichen Regeln einer Gewahrsamsnahme und von Jugendhilfegesetzen.

David M. war nach eigenen Angaben 17 Jahre alt, stammte aus Georgien und hatte vorher in Polen und der Schweiz Asyl beantragt, das jeweils abgelehnt wurde. Mittlerweile habe die georgische Botschaft bestätigt, dass M. wesentlich älter gewesen sei, nämlich 25 Jahre alt. Am 7. Februar wurde der Georgier laut Behördenangaben in Hamburg von der Polizei überprüft und festgenommen. Am selben Tag wurde er in Untersuchungshaft genommen. Am 8. Februar ordnete das Amtsgericht Hamburg »Zurückschiebungshaft« an. M. sollte nach Polen abgeschoben werden, wo er zuletzt Asyl beantragt hatte.

Nach Ansicht von Mehmet Yildiz habe es weitere Hinweise auf eine Selbstgefährdung von David M. gegeben. So sei dieser aus Protest gegen seine geplante Abschiebung in den Hungerstreik getreten. Die Kameraüberwachung jedoch sei lückenhaft gewesen, obwohl den Beamten im Zentralkrankenhaus des Untersuchungsgefängnisses der labile Zustand M.s hätte bewusst gewesen sein müssen. So sei er am Todestag zwischen 11.30 Uhr und 15.50 Uhr nicht kontrolliert worden. Anschließend hatte er sich mit einem Betttuch erhängt. Als fahrlässig wertet Yildiz auch, dass M. keinen Rechtsbeistand bekommen habe und er nicht über seine Rechte informiert wurde.

Laut Senatsantwort auf die SPD-Anfrage habe M. diesen Wunsch nicht geäußert und weder einen Anwalt noch ein Gespräch mit einem Geistlichen verlangt. Aus der Antwort geht auch hervor, dass M. in Abschiebehaft lediglich regelmäßigen Kontakt mit einer »Ausländerberaterin« hatte, die sich mit dem Georgier auf Russisch verständigte. Einen Ansprechpartner, der mit ihm in seiner Muttersprache gesprochen hätte, habe es, so der Senat, nicht gegeben.