Herzliche Abneigung

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach wie vor werden die Ziele von Staatsbesuchen nicht per Zufallsgenerator ermittelt, und es gibt auch keine Pflicht, ausgesprochenen Einladungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nachzukommen. Wer also ohne erkennbaren äußeren Anlass wie die Kanzlerin auf Visite geht, tut dies nicht selten, um sich mit Pluspunkten im und gegenüber dem Ausland für an der Heimatfront erlittene Blessuren zu entschädigen. Für letzteres gäbe es Anlass genug. Für Erdogan gilt ähnliches.

Der Kanzlerin vor Reisebeginn bekräftigtes Bekenntnis zur Nicht-EU-Mitgliedschaft für Ankara und gegen türkische Gymnasien hierzulande hat der türkische Premier erwartungsgemäß genutzt, um in Sultansmanier zurückzukeilen. Verhandlungsklima entsteht so nicht. Aber vielleicht ist es ja gerade das: Man tauscht ein paar wohlfeile Artigkeiten mit dem Partner aus, profiliert sich aber ansonsten auf dessen Kosten.

Für den vom Militär misstrauisch beäugten Erdogan ist Schulterklopfen zu Hause für nationalistische Parolen derzeit viel wichtiger als Sympathiekärtchen aus Deutschland. Änderungen des türkischen Rechtsverständnisses gegenüber Armeniern und Kurden – eine von vielen Forderungen der EU – stehen damit nicht in Aussicht. Das wird die CDU-Chefin freuen. So bleibt es ihr erspart zu sagen, dass ihrer Partei die Menschenrechte für Kurden und andere möglicherweise herzlich egal sind und sie ganz andere Gründe hat, die EU-Tür für Türken geschlossen zu halten.

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