nd-aktuell.de / 31.03.2010 / Politik / Seite 15

»Es gibt kein ruhiges ...«

Magazin Hinterland des Flüchtlingsrates Bayern

Haidy Damm
Als alles anfing, stand der Bayerische Flüchtlingsrat mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur drastische Etatkürzungen, auch die generelle Frage »Wie weiter in der Flüchtlingsarbeit?« zwangen zu neuen Wegen – auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Das war 2006. Der Flüchtlingsrat entschied sich zur Offensive. Heute steht fest: Das Magazin »Hinterland« gehört zu einer der angesehensten Fachzeitschriften zum Thema Flucht und Migration.

Aus dem Umfeld des Bayerischen Flüchtlingsrates hatte sich 2006 eine ehrenamtlich tätige Redaktion aus ExpertInnen, AktivistInnen, JournalistInnen und Medienschaffenden zusammengefunden. Ihr Ziel war, antizyklisch Themen aufzugreifen, »die in den Debatten in Deutschland vor lauter larmoyanter Selbstbespiegelung und schrillem Zuwanderungs- und Sicherheitsgeraune derzeit hinten runterfallen«. Die Redaktion konstatierte: »Die Themen rund um Flucht und Migration sind gerade definitiv out.« Gerade deshalb sollte es in die Offensive gehen.

Denkanstöße geben

Der Anspruch war hoch gesteckt. In der ersten Ausgabe hieß es: »Wir wollen tiefer blicken lassen, breiter informieren als Verbandspublikationen das üblicherweise tun, Kontexte anbieten, wo sonst nur Tatsachenberichte prangen, Denkanstöße geben und Debatten anstoßen, wo sonst nur betretene Kenntnisnahme vorherrscht.« Nicht die »haarsträubende Situation von Flüchtlingen, MigrantInnen und Illegalisierten verniedlichen oder unterhaltsam verpacken«, sondern »den Fokus öffnen und einen kritischen gesellschaftlichen Zusammenhang herstellen. Auch wenn wir uns inhaltlich weiterhin mit Flüchtlingsabwehr und globaler Wohlstandsabschottung beschäftigen werden und den Schwerpunkten des Bayerischen Flüchtlingsrates verpflichtet bleiben.«

Das blieben sie und haben gleichzeitig ein großzügig und hervorragend layoutetes Magazin geschaffen, dessen Auflage von 1500 Heften zwar nicht gestiegen ist, aber dennoch eine neue Öffentlichkeit geschaffen hat. »Heute werden wir gelesen«, sagt Matthias Weinzierl. Denn die Texte sind zusätzlich vollständig im Internet abrufbar. Der Geschäftsführer des Bayerischen Flüchtlingsrats betont, Hinterland sei kein Verlautbarungsorgan, sondern ein politisch unabhängiges Magazin. Reportagen, Debattenbeiträge und Interviews – auch journalistisch wird eine Bandbreite an Möglichkeiten ausgeschöpft.

Mehr als Flüchtlingspolitik

Und was steht drin? In der aktuellen Ausgabe »Antiziganismus« wird die Verfolgung und Vernichtung von Sinti und Roma über Jahrhunderte hinweg ebenso beleuchtet wie deren aktuelle Abschiebungen nach Kosovo und antiziganistische Kontinuitäten bis heute, die »wütend machen« – so die Redaktion. Zu letzterer Kategorie zählt auch der Artikel über die »AG Wohlfahrt« in Hessen, eine Arbeitsgemeinschaft der Polizei, die sich vorgenommen hat, einen Landkreis von »unerwünschten AusländerInnen« zu befreien. Insgesamt bieten die Schwerpunktthemen und Länderschwerpunkte eine Breite, die weit über das Thema Flüchtlingspolitik hinausgeht. Die vorletzte Ausgabe »Was ist links?« habe die Redaktion zwei Jahre vor sich hergeschoben, heißt es im Editorial. »Wie soll man ›es‹ denn beschreiben, das Etwas, das erst einmal nur ein Gefühl war und dann schließlich zur Identität wurde? Und was ist die allgemeine Substanz dieser Identität?« Nun gelungen ist auch das. Weiter so.

www.hinterland-magazin.de[1]

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