nd-aktuell.de / 06.04.2010 / Politik / Seite 6

Der Reiz der Extreme

Ausstellung mit Totenmasken von Baader, Ensslin und Raspe in Esslingen

Esslingen (dpa). Geschmacklose Ikonisierung, wertvoller geschichtlicher Denkanstoß oder sogar illegal? Die Totenmasken von drei Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF), die seit dem 28. März in der Esslinger Villa Merkel zu sehen sind, sorgen für Wirbel. Eine andere Ausstellerin sei wohl deshalb der Eröffnung ferngeblieben, sagt Andreas Albrecht, Zinnowitzer Kunsthändler und Eigentümer der Masken von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe. Nach einem Bericht der »Stuttgarter Nachrichten« sagte auch eine Mitarbeiterin des städtischen Kulturamtes ab, weil sie die Villa dadurch »entweiht« sehe. Für den Ärger hat Albrecht durchaus Verständnis. »Einige Menschen haben die Zeit viel hautnaher erlebt. Ich war damals ja noch ein Kind«, sagt der 43-Jährige.

Dennoch stehen er und Andreas Baur, der Leiter der Villa Merkel, zu der Entscheidung, die Masken des Tübinger Bildhauers Gerhard Halbritter (1908-2002) bis zum 6. Juni auszustellen. »Sie sind einer von 34 Beiträgen, die sich mit den Umbrüchen um 1969 befassen«, erklärt Baur. Dabei gehe es auch um die Mondlandung und um Musikfestivals wie Woodstock. Der Titel »Man Son 1969. Vom Schrecken der Situation« bezieht sich auf Charles Manson, den berüchtigten Kopf einer amerikanischen Hippie-Kommune. Die Ausstellung, die ohne die Masken bereits in Hamburg zu sehen war, solle den Reiz und die Gefahr der Extreme darstellen, erläutert Baur. Man wolle die Spannungen zeigen, die entstanden seien, als sich die Utopien der Zeit mit der Realität zu reiben begannen. Als klar wurde, dass die Masken verfügbar sind, hätten die drei Kuratoren lange diskutiert, und sich dann entschieden, sie zu zeigen. Albrecht hatte die Totenmasken Anfang 2009 für rund 20 000 Euro von der Tochter des Bildhauers Halbritter erworben – »für meine private Sammlung«, sagt er. Versuche, sie als Zeitdokumente im Haus der Geschichte in Bonn oder im Museum für Deutsche Geschichte in Berlin zu platzieren, führten nicht zum Erfolg.