Vielfalt – ein leeres Versprechen

Düstere Bilanz im 20. Jahr des Nationalparkprogramms

  • Günter Queißer
  • Lesedauer: 2 Min.
Für das Haus der Natur in Potsdam gab es vergangenen Donnerstag zwei Gründe, das Thema biologische Vielfalt kritisch zu hinterfragen: Erstens haben die Vereinten Nationen 2010 als Internationales Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen; zweitens ist es 20 Jahre her, dass das DDR-Nationalparkprogramm gestartet wurde.

1990 wurden große Hoffnungen an ein Programm geknüpft, das der letzte Ministerrat der DDR auf der letzten beschließenden Sitzung als letzten Tagungsordnungspunkt verabschiedete und mit dem im »Handstreich« fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparks ausgewiesen wurden. Zahlreiche Schutzgebiete wurden seitdem eingerichtet. Heute gibt es in Deutschland 14 Nationalparks, 16 Biosphärenreservate und 99 Naturparks. Gewiss sind sie der Artenvielfalt zugute gekommen. Dennoch ist auch hier ein dramatischer Rückgang der Tier- und Pflanzenarten zu beobachten.

Eberhard Henne, ein Mann mit langjähriger Erfahrung als Leiter des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin, als Umweltminister in Brandenburg und als Vorsitzender von EUROPARC Deutschland, dem Dachverband für Großschutzgebiete, ging in seinem Vortrag den Ursachen auf den Grund. Seine Analyse ergibt ein düsteres Bild: Verlust von natürlichen Lebensräumen vieler Arten und damit ein Schwinden der biologischen Vielfalt, von der unser Leben abhängt. Täglich verschwinden bis zu 150 Spezies auf der Erde. Obwohl 193 Staaten die Biodiversitätskonvention unterzeichneten, die das Artensterben stoppen sollte, geht es weiter abwärts.

Die Bundesrepublik hat sich 15 Jahre nach der vertraglichen Verpflichtung 2007 endlich bequemt, eine »Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt« zu verabschieden. Dazu gehören die Pflicht zu einer guten fachlichen Praxis in Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie eine Abkoppelung des nationalen Wirtschaftswachstums vom Flächenverbrauch.

»Zerstören wir die Natur, bringen wir uns um unsere Existenz- und Wirtschaftsgrundlage,« meint sogar Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Wie ernst sind diese Worte zu nehmen? Auf dem Papier ist alles geregelt, meint Henne, die Realität sieht anders aus. Nichts ändert sich an der Wachstumsgläubigkeit der Wirtschaft, an Profitgier und am verschwenderischen Lebensstil. Die Naturzerstörung geht weiter. Auch in Brandenburg. Einen großen Anteil daran hat die hochintensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen. Vielfalt ist die Basis unserer Ernährung und unserer Gesundheit. Henne nennt ein anschauliches Beispiel, das jeder im Supermarkt erlebt: Von einst 3000 Apfelsorten existieren vielleicht noch 40, von denen sich noch drei oder vier im Regal finden.

Ohne Zweifel wird von Naturschützern viel für den Erhalt von Landschaften getan. Doch die finanziellen und auch politischen Hürden werden höher. In der Diskussion ist viel Enttäuschung zu hören. Die Erwartungen beim Aufbruch vor 20 Jahren waren hoch, sie haben sich nicht erfüllt. Dabei gab es schon damals skeptische Stimmen, etwa von Rudolf Bahro, der meinte, es gäbe keinen größeren Feind der Ökologie als die Marktwirtschaft. Eberhard Henne sieht dennoch in Bürgerinitiativen eine Chance, Einfluss auf die Politik zu nehmen.

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