Zeitungen und Kieznachrichten zum Hören

Team nimmt Artikel und Texte für Sehschwache und Behinderte auf und verteilt kostenlose CDs

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Achtung Aufnahme – Der Hörzirkel liest Gedichte
Achtung Aufnahme – Der Hörzirkel liest Gedichte

Zeitungen und Kurzgeschichten hörbar machen: Das ist das Ziel eines einzigartigen Projektes der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB). Ein vierköpfiges Team bringt wöchentlich verschiedene Texte auf CDs. Die werden dann kostenlos an Senioren-, Pflegeeinrichtungen oder kranke und behinderte Menschen verteilt.

»Wir möchten den Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurückgeben und sie wieder am aktuellen Tagesgeschehen teilhaben lassen«, sagt Projektleiter Reno Pletz. Und weil es in Bielefeld, wo die GAB ihren Hauptsitz hat, schon gute Erfahrungen mit einem Hörzirkel gibt, startete vor wenigen Monaten ein ähnliches Vorhaben in Berlin.

»Anfangs war alles völlig neu«, erinnert sich Pletz, der eigentlich Heimerzieher ist. Auch für die anderen vom Team, die früher als Verkäuferin, Köchin und Gebäudereiniger arbeiteten, begann eine interessante Herausforderung. In Bibliotheken und im Internet wurde zunächst nach Lesbarem recherchiert: Vor allem nach lustigen Kurzgeschichten, denn die stehen bei den hörwilligen Senioren hoch im Kurs. Auch Märchen kommen gut an sowie Auszüge aus Tageszeitungen und Zeitschriften.

Bevor die verschiedenen Texte auf CD gebracht werden, muss die Zustimmung der Verlage vorliegen. Schließlich gilt es, die Urheberrechte zu beachten. »Viele haben den sozialen Gedanken des Projektes erkannt und unterstützen uns«, berichtet Pletz. Zwei bis drei CDs entstehen jede Woche. Sie werden vervielfältigt und an die rund 40 Abnehmer verteilt.

Spannend ist nach wie vor die Arbeit in dem kleinen, improvisierten Tonstudio an der Pankower Thulestraße. Immer wenn an der Tür das gelbe Pappschild mit dem Schriftzug »Achtung Aufnahme – Zutritt verboten« klebt, wird wieder etwas Neues eingelesen. »Wir werden dabei immer besser«, freut sich Pletz.

Jeder hat mittlerweile seine eigenen Tricks. Manche »tanken« vor dem Sprechen noch einmal kräftig frische Luft. »Wichtig ist auch, viel Wasser zu trinken«, sagt René. Der ehemalige Gebäudereiniger mit der markanten, kräftigen Stimme kam beim Aufsprechen auch schon ins Stocken. Als er beispielsweise aus dem Sportteil einer Zeitung zitierte und es um ein Spiel des Fußballclubs Energie Cottbus ging: »Die Mannschaft hat so viele komplizierte Namen, dass ich abbrechen musste«, erinnert sich René.

Oft erfüllt das Team besondere Wünsche. So bevorzugt eine Einrichtung vor allem Gedichte von Schiller, Goethe und Lessing. Für Klatsch und Tratsch sowie Nachrichten aus dem jeweiligen Kiez gibt es auch viele Abnehmer. »Sehr gut kamen unsere Weihnachtsgeschichten-CDs an«, erklärt der Projektleiter. Deshalb plant er künftig noch mehr Aufnahmen zu speziellen Themen: Vor Feiertagen oder aus dem Bereich der Medizin. Ein Traum von Reno Pletz ist es zudem, zwischen den Texten Musik einzuspielen. Aber dafür sei die Gesetzeslage sehr kompliziert.

Den Hörzirkel gibt es erst einmal für zwei Jahre. So lange läuft die Maßnahme, die aus Mitteln für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor finanziert wird. Die Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung hat seit 1991 eine Zweigstelle in der Hauptstadt. Zu den aktuellen Initiativen gehören unter anderem eine Kleiderstube, eine Papier- und Holzwerkstatt sowie ein Umweltprojekt.

www.gab-berlin.de

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