Nur eine »optimistische Prognose«?

Bankberatung

  • Lesedauer: 2 Min.

Das Bankhaus H. empfahl 1994 einem Kunden, eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu erwerben. Die Fondsgesellschaft wollte in Berlin zwei Geschäftshäuser bauen und vermieten. Nach der Lektüre des Anlageprospekts war der Geldanleger von dem Geschäft überzeugt und stieg mit 600 000 DM (306 775 Euro) ein.

Da nach der Baufertigstellung die Mieteinnahmen wegen erheblicher Leerstände weit hinter den Erwartungen zurückblieben, geriet die Fondsgesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten. Anstatt Rendite einzustreichen, verlor der Anleger Geld. Er verklagte die Bank wegen schlechter Anlageberatung auf Schadenersatz.

Begründung: Sie habe ihn pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass die Erfolgsprognose im Anlageprospekt schönfärberisch war. Angesichts der Unsicherheit der allgemeinen Lage und der Tatsache, dass 1994 noch keine solventen Mieter gefunden waren, hätte die Fondsgesellschaft statt zwei mindestens vier Prozent Mietausfall einkalkulieren müssen.

Doch der Bundesgerichtshof verneinte eine falsche Beratung. Banken seien verpflichtet, Prospekte mit kritischem Sachverstand zu prüfen. Doch der strittige Prospekt enthalte keine Fehler. Die optimistische Prognose verdankte sie der besonderen Dynamik des Berliner Büroimmobilienmarkts 1994: Man erwartete den Umzug vieler Bundesbehörden und Botschaften, dementsprechend einen Anstieg des Bürobedarfs. Das sei ja nicht abwegig.

Prognosen müssten auf sorgfältig ermittelten Fakten beruhen und – aus damaliger Sicht – vertretbar sein. Das treffe hier zu. Eine Gewähr für Gewinne gebe es nicht, dieses Risiko trage nun einmal der Anleger.

Dass Prognosen, die ursprünglich vertretbar waren, sich im Nachhinein als falsch erweisen könnten, und dass die Rentabilität einer Kapitalanlage nicht mit Sicherheit vorherzusagen sei, gehöre zum Allgemeinwissen. Darüber müsse eine beratende Bank Anleger nicht informieren.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08

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