nd-aktuell.de / 21.04.2010 / Politik / Seite 12

Werbesprüche aus der Heiligen Schrift

Ein Rostocker Theologe hat beobachtet, dass Marketing-Strategen häufig auf die Bibel zurückgreifen

Iris Leithold, dpa
»Liebe Deine Haut wie Dich selbst.« Moment mal, heißt das nicht »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst«? Nein, denn es handelt sich um einen Werbespruch für ein Hautöl, garniert mit einer sehr gepflegt aussehenden Frau. Die Werbeleute, die diesen Spruch erdachten, haben sich allerdings in der Bibel bedient. Die Hautöl-Reklame ist kein Einzelfall.

Schwerin/Rostock. Der Griff der Werbeexperten in die Heilige Schrift der Christen findet häufiger statt als man denkt, wie der Theologe Thomas Klie von der Universität Rostock beobachtet hat. Nicht nur das: Werbung werde auch zunehmend selbst zu einer Art Religion, behauptet er. Dabei geht es um Verheißung. »Religion verheißt etwas, zum Beispiel ein gelingendes Leben. Werbung macht etwas Ähnliches, sie verheißt weit mehr als den reinen Nutzen des Produkts, das sie anpreist«, erklärt Klie. »Das Parfüm, das man kaufen soll, hat demnach nicht nur einen guten Duft, sondern bringt Anerkennung. Das Auto transportiert nicht nur, sondern bringt Status.« Werbung, die Religion wird, setze auf die magische Gestalt von Marken. Sie stiften Identität.

»Zwischen einem Levi's-Träger und einer Reebok-Persönlichkeit klaffen heute Welten«, sagte Klie jüngst in einem Vortrag in Schwerin. Mythen funktionieren Klie zufolge besonders gut in der Werbung, die ihre Botschaften kurz und einprägsam herüberbringen muss. Mythen seien aber vom Aussterben bedroht. »Da muss die Werbung zu den letzten Tabus greifen, zu den letzten Mythen, die noch regelmäßig und flächendeckend aufgeführt werden. Und da stehen die Bibel und die Christentumspraxis ganz obenan.«

Die Werbesprüche müssen allerdings verstanden werden. In den neuen Ländern sei das nicht flächendeckend der Fall, weil christliche Symbole und Texte 40 Jahre aus dem öffentlichen Leben fast verschwunden waren, sagt der Theologe Klie. Vielen Menschen fehle christlich-kulturelles Basiswissen, das im Westen vorhanden sei, selbst wenn sich auch dort viele von der Kirche abgewandt hätten. Von den zehn Geboten hat jeder gehört. Und so kann eine Zigarettenmarke erfolgreich mit folgendem Spruch werben: »Das 1. Gebot: Du sollst Deine Freunde nicht langweilen.«

Theologe Klie meint, dass es durchaus ein großes Interesse an Religion in der Gesellschaft gibt. Doch warum verlieren die Kirchen dann nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern immer noch Mitglieder? Selbstkritisch stellte der evangelische Theologe in seinem Schweriner Vortrag die Frage: »Vielleicht ist die evangelische Kirche ja nicht mehr religiös genug? Vielleicht haben wir – aufklärerisch und sozialkritisch aufs Beste ausgebildet – die Religion einfach sang- und klanglos aus der Kirche auswandern lassen?« Immerhin verheißt die Ewigkeit inzwischen (auch) ein Parfüm: »Eternity«.