Pakistan tilgt das Erbe Musharrafs

Reformen sollen Diktatoren den Weg verlegen

  • Henri Rudolph, Delhi
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit Anfang der Woche ticken die Uhren in Pakistan anders. Präsident Asifs Verfassungsreformen sollen die islamische Republik zurück auf den Weg bürgerlicher Demokratie bringen und das Erbe der Musharraf-Militärdiktatur auslöschen.

Die »18. Verfassungsergänzung« wurde, nachdem sie in beiden Häusern des Parlaments abgesegnet worden war, zu Wochenbeginn von Präsident Asif Ali Zardari unterzeichnet. Das Dokument, als »einzigartig in der Geschichte Pakistans« bezeichnet, war von einem aus 26 Mitgliedern aller Parteien bestehenden Komitee erarbeitet worden. Premier Jusuf Raza Gilani sprach von einem beispiellosen Ereignis, weil noch nie ein Präsident seine Machtbefugnisse freiwillig beschneiden lassen habe.

Tatsächlich verzichtet Präsident Zardari auf eine Reihe von Befugnissen, die General Pervez Musharraf eigenmächtig in die Verfassung geschrieben hatte.

Tatsächlich bedeuten die Reformen eine Abkehr vom Präsidialsystem, in dem das Staatsoberhaupt nahezu allmächtig war, während Parlament und Regierung als Erfüllungsgehilfen agierten. Nun geht ein großer Teil der Entscheidungen an die Volksvertretung über. Der Präsident kann das Parlament beispielsweise nur noch auf Ratschlag des Regierungschefs auflösen. Er darf weder die Chefs der Teilstreitkräfte noch die Gouverneure ernennen.

Der Vorsitzende des Reformkomitees, Senator Raza Rabbani, versicherte, die jetzige Verfassung ermögliche dem Volk, künftig den Weg für Diktatoren zu blockieren.

Die Provinzen erhalten ein bislang ungekanntes Maß an Autonomie. Die Nordwestgrenzprovinz – der Name stammt noch aus britischer Kolonialzeit – heißt nun »Khyber-Pakhtunkhwa«. Darüber war kontrovers debattiert worden, in der Provinz kam es sogar zu gewaltsamen Ausschreitungen.

Drei Reformen beziehen sich auf neue Grundrechte: das Recht auf einen fairen Gerichtsprozess, das Recht auf Information und das Recht auf kostenlosen obligatorischen Schulbesuch für alle Kinder zwischen fünf und 16 Jahren.

Freilich kann die Mehrheit der Pakistaner mit der viel beschworenen Floskel von Demokratie wenig anfangen. Sie leiden unter Preissteigerungen, Trinkwassermangel, Stromabschaltungen, Unterentwicklung in den ländlichen Gebieten und den terroristischen Anschlägen von Extremisten. Premier Gilani sieht wohl das Problem. In seiner Rede unterstrich er: »Demokratie kann man nicht allein durch Worte stärken. Es müssen ihnen Taten folgen.« Dafür trägt der Regierungschef nun laut Verfassung mehr Verantwortung als zuvor.

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