nd-aktuell.de / 24.04.2010 / Politik / Seite 3

»Es geht um Kontrolle«

Gisela Notz von Pro Familia über den § 218

Pro Familia berät an rund 180 Stellen in Deutschland zu Sexualität und Familienplanung. Gisela Notz ist Vorsitzende des Bundesverbands.

ND: Warum ist der Paragraf 218 kaum mehr ein wahrnehmbares Thema feministischer Politik?
Notz: Es ist ein Skandal, dass der Paragraf 218 immer noch im Strafgesetzbuch steht. Der Widerstand, den es in den 70er Jahren gab, ist abgebrochen. Man kann scheinbar mit dem Kompromiss von 1995 gut leben.

Weil jede Frau abtreiben kann, die das möchte?
Ja, aber für die Frauen im Osten war »der Kompromiss« eine schmerzliche Verschlechterung. Gegen die Zwangsberatung demonstrierten Ost- und Westfrauen.

Inzwischen haben vor allem christliche Fundamentalisten das Thema Abtreibungen besetzt.
Diese selbsternannten Lebensschützer kämpfen für eine weitere Verschärfung des Gesetzes. Da wäre Widerstand angesagt. Es gibt zu wenig Frauenbewegung in diesem Land. Feminismus nennt man heute vieles – von der Leyen bezeichnet sich als konservative Feministin. Allerdings gibt es nach wie vor Frauen, die sich auflehnen. Ich denke an den Widerstand vorwiegend junger Feministinnen gegen die »1000 Kreuze«-Aktionen.

Im vorigen Jahr ist das Schwangerschaftskonfliktgesetz verschärft worden. Sind bereits Veränderungen spürbar?
Das Gesetz ist erst am 1. Januar in Kraft getreten. Der Druck auf die Ärzte hat sich verstärkt, wir beobachten das in unseren Beratungsstellen. Es gibt Hinweise darauf, dass viele Frauen ins Ausland ausweichen, wir haben dazu aber noch keine Zahlen. Wir wollten eigentlich nicht mehr, dass die Frauen nach Holland fahren müssen. Das können sich nicht alle leisten.

Sehen Sie einen direkten Zusammenhang zur Debatte um den demografischen Wandel – weniger Abtreibungen = mehr Kinder?
Das ist die Argumentation der »Lebensschützer«. Ich sage, es geht um Kontrolle. Seit Bestehen des Abtreibungsparagrafen geht es darum, die Frauen zu kontrollieren. Ich habe die Befürchtung, dass uns die ganze Geschichte weiter beschäftigen wird. Konservative Kreise werden keine Ruhe geben.

Fragen: Regina Stötzel