nd-aktuell.de / 24.04.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Athen zieht die Notbremse

Griechische Regierung fordert Hilfe von EU und IWF an

Anke Stefan, Athen
Griechenland will das Hilfspaket von EU und IWF in bislang unbekannter Höhe in Anspruch nehmen. Damit reagiert die Regierung auf das anhaltende Misstrauen der Märkte.

»Der Moment ist gekommen«, verkündete Giorgos Papandreou am Freitag. Der griechische Ministerpräsident will das von EU und IWF bereitgestellte Hilfspaket für Griechenland in Anspruch zu nehmen. »Es ist nationale und zwingende Notwendigkeit, dass wir offiziell von unseren Partnern die Aktivierung des Stützungsmechanismus ersuchen, den wir gemeinsam mit der EU geschaffen haben.«

Papandreou erklärte, seine Regierung und das griechische Volk hätten ein »sinkendes Schiff« von der Vorgängerregierung geerbt, »ein Land ohne Ansehen und Würde«, das »den Respekt sogar seiner Freunde und Partner verloren hat«. Alle bisherigen Anstrengungen seiner Regierung hätten die Märkte nicht überzeugt, »entweder weil sie nicht an den Willen der EU glaubten, oder weil einige sich entschieden haben, weiter zu spekulieren«.

Seit einigen Tagen befinden sich Experten von EU und IWF in Athen, die die Fortschritte der Regierung beim Abbau des Staatsdefizits überprüfen sollen. Erst am Donnerstag hatte die EU-Statistikbehörde Eurostat bekanntgegeben, dass die Höhe der Haushaltslücke für 2009 bei 13,6 des Bruttoinlandsproduktes und nicht wie bisher angenommen bei 12,7 Prozent liege. Nach dem bisherigen Sanierungsplan soll das griechische Defizit in diesem Jahr auf 4 Prozent sinken.

Sofort nach der Ankündigung sanken die Renditen griechischer Staatsanleihen am Markt von 8,85 auf 8,38 Prozent. Die Aktienkurse an der Athener Börse stiegen um 3 Prozent an.

Bis zu 30 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von etwa 5 Prozent könnten Griechenland von der EU in diesem Jahr bereitgestellt werden. Darauf hatten sich die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz vor knapp zwei Wochen geeinigt. Das Rettungspaket setzt sich aus Darlehen der Euroländer entsprechend ihres Wirtschaftsbeitrages in der EU zusammen. Auf Deutschland entfielen danach 8,4 Milliarden Euro. Da sich Deutschland selbst zu etwa 3 Prozent Geld leihen kann und von Griechenland 5 Prozent verlangen würde, könnte der deutsche Staat mehrere hundert Millionen Euro an dem Geschäft verdienen. Weitere bis zu 15 Milliarden kämen vom IWF. Aus Athen war am Freitag zu vernehmen, das Land werde wahrscheinlich bereits in den nächsten Tagen 3 Milliarden Euro zu 2,86 Prozent Zinsen vom IWF abrufen.

EU-Währungskommissar Olli Rehn wollte am Freitag in Washington mit dem IWF über die Hilfe sprechen. Damit diese aktiviert werden kann, müssen sich zunächst die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) absprechen und den Mitgliedsländern eine Empfehlung geben. Dann würden die EU-Staaten die Hilfe beschließen.

Angesichts des Widerstands gerade in Deutschland wird das für Griechenland kein Spaziergang werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte am Freitag in Berlin, Griechenland müsse zunächst ein »glaubwürdiges Sparprogramm« vorlegen. Danach müssten EU-Kommission, EZB und IWF zum Schluss kommen, dass die griechische Schuldenkrise »nicht nur ein griechisches Problem ist, sondern ein Problem für die Stabilität des gesamten Währungsraums«. Erst dann könne über konkrete Hilfen gesprochen werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit Koalition und Opposition ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren ausloten. Dazu werde sich der Minister am Montag mit den Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien treffen, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke, forderte im »Tagesspiegel« einen förmlichen Beschluss des Bundeskabinetts über einen Gesetzentwurf. »Wir wollen wissen, welche Pläne die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister haben.«