nd-aktuell.de / 03.05.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Auf dem Trockenen gelandet

Muscheln verenden nach Gewässerarbeiten in der Prignitz

Wolfgang Ewert, Potsdam
Wie sich die Geschehnisse gleichen: Vor knapp drei Jahren verendeten im Spreewald Hunderte streng geschützte Bachmuscheln nach Arbeiten an der Uferböschung. So etwas sollte sich nicht wiederholen, hieß es damals aus dem Landesumweltamt. Hat es aber doch – jetzt in der Prignitz.

Dass Naturschützer genauer hinsehen, wenn an Gewässern gearbeitet wird, verwundert ob des gefühlt dominierenden konventionellen Herangehens nicht. Obwohl es durchaus auch viele Beispiele eines gewandelten, ökologisch ausgerichteten Umgangs mit Flüssen und Seen gibt. Der Vorsitzende des Landesverbandes der NaturFreunde Brandenburg, Rüdiger Herzog, sah Ende Dezember vergangenen Jahres in den Prignitzer Flora-Fauna-Habitat-Gebieten an der Karthane bei Haaren und der Löcknitz bei Gadow genauer hin und fühlte sich um drei Jahre zurückversetzt. In beiden Flüssen, so Herzog, wurden beim Beräumen des Grunds mit dem Schlamm auch mehrere hundert bis tausend Muscheln ausgehoben, die anschließend am Ufer verendeten. Ein eklatanter Verstoß gegen Naturschutzbestimmungen, denn alle heimischen Großmuscheln sind geschützt, die Bachmuschel sogar streng. Naturschützer Herzog erstattete daher Mitte Januar bei der zuständigen Polizeiwache in Wittenberge Anzeige gegen Unbekannt. Zeit- und inhaltsgleich setzte er das Potsdamer Umweltministerium in Kenntnis. Hoffte Herzog anfangs, jetzt werde eifrig ermittelt und der oder die Verursacher würden alsbald zur Verantwortung gezogen, sieht er sich inzwischen getäuscht. Bis heute hat er von keiner Seite eine Information zur Bearbeitung seiner Anzeige erhalten.

Recherchen ergaben, dass die Staatsanwaltschaft in Neuruppin den Fall untersucht. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, so die Auskunft des bearbeitenden Staatsanwaltes. Und solange dort ermittelt werde, greife das Landesumweltamt (LUA) nicht ein, erläutert Erik Paschke, Naturschutzreferent der Behörde. Schließlich könne es sich ja auch um eine Straftat handeln, die schärfer geahndet werden müsse als eine Ordnungswidrigkeit.

Wahrscheinlicher scheint indes, dass die Ermittlungen eingestellt werden. Denn bislang hat die Staatsanwaltschaft das LUA noch nicht einmal um eine Stellungnahme ersucht. Und ein potenzieller Verursacher, der Wasser- und Bodenverband Prignitz, wurde ebensowenig befragt. Dessen Geschäftsführer Frank Schröder weist im Gespräch eine Urheberschaft weit von sich. An der Kar-thane habe man zur fraglichen Zeit überhaupt nicht gearbeitet und an der Löcknitz wären die Arbeiten im November beendet gewesen sowie unter Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde ohne Beanstandungen abgenommen worden. Seither habe es dort keine Arbeiten mehr gegeben, so Schröder. Man wisse von den Muschelvorkommen, betont der Geschäftsführer, und im Übrigen tue man sehr viel zur Verbesserung des ökologischen Zustandes. So wurden für 1,7 Millionen Euro Renaturierungsleistungen erbracht, während das Volumen der Gewässerunterhaltung nur 1,2 Millionen betrug.

Über den wirklichen Verursacher des Muschelsterbens kann nach nunmehr vier Monaten nur spekuliert werden. Und so wird Rüdiger Herzog vermutlich in einigen Monaten Post von der Staatsanwaltschaft bekommen: Verfahren eingestellt.