Isabelle Faust

Beethoven und Barbecue

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Reine Kammermusik, ohne begleitende Videoinstallationen oder ein DJ-Set – das ist im Radialsystem eine Seltenheit. Meist geht es in diesem »New Space For The Arts« experimentell, zeitgenössisch und interdisziplinär zu. Vergleichsweise puristisch wirkte dagegen das Programm am vergangenen Wochenende, als Isabelle Faust und Alexander Melnikov Beethovens Sonaten für Klavier und Geige aufführten. Nur am 1. Mai entwickelte sich unbeabsichtigt eine Klangcollage, als die Musik vom Martinshorn der vorbeifahrenden Polizeifahrzeuge zerschnitten wurde.

Derart kompakt erlebt man den Beethoven-Zyklus sonst nicht. Die beiden Musiker ballten die insgesamt zehn Sonaten in drei Abende; solch ein Projekt würde in der Philharmonie oder im Konzerthaus schon an der Saalmiete scheitern. Aber auch die Atmosphäre in dem einstigen Pumpwerk am Spreeufer ist eine andere als in den traditionellen Konzertsälen. Vom oft beschworenen Aussterben des Kammermusikabends war hier nichts zu sehen: Die Veranstaltungen sind ausverkauft, die Besucher recht jung, und sie drücken ihre Begeisterung auch mal durch Pfiffe und Getrampel aus. In der Pause stärken sie sich am Grill auf der Terrasse mit Nackensteaks.

Kulinarische Stärkung braucht der Besucher auch, verlangt ihm das Programm doch Einiges ab: Konzerte von Freitag bis Sonntag; am Samstag spielten Isabelle Faust und Alexander Melnikov sogar zwei Mal. Und die Sonaten sind nicht nur wunderschöne, sondern auch anspruchsvolle Musik. Sie entstanden zwischen 1797 und 1812, konzentrieren sich also in Beethovens »mittlerer« Schaffensphase, wo der Komponist sich von seinen Vorbildern Haydn und Mozart ablöste und zu einem eigenen Stil fand.

Beide Instrumente agieren hier gleichberechtigt. Faust und Melnikov spornt das zu einem innigen, fein abgestimmten Zusammenspiel an. Rhythmische Akzente, Abstufungen der Lautstärke und Änderungen des Tempos vollführen die beiden absolut synchron. Gelegentliche kleine rhythmische Ungenauigkeiten des Pianisten fängt Isabelle Faust elegant auf. Man merkt: Die Geigerin, die mit elf Jahren ihr erstes Streichquartett gründete, und der 1973 in Moskau geborene Melnikov, der mit 18 Jahren den renommierten Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel gewann, sind ein eingespieltes Team.

Isabelle Fausts Spiel ist stets unprätentiös und frei von allen äußerlichen Effekten. Sie nähert sich Beethoven mit einem schlanken, energischen, manchmal ein wenig spröden Ton. Alexander Melnikov verfügt über einen runden, warmen Anschlag. Er taucht die Stücke in ein lyrisches Licht, bleibt dabei aber manchmal ein wenig zu zurückhaltend. In den dramatischen Passagen hätte man sich von ihm mehr Feuer und rhythmische Zackigkeit gewünscht.

Es ist ein besonderes Erlebnis, die zehn Sonaten, die die Künstler auch auf CD gebannt haben, in chronologischer Reihenfolge hintereinander weg zu hören. So wird die künstlerische Entwicklung Beethovens deutlich erkennbar: von den heiteren drei Sonaten op. 12 über die unbeschwerte »Frühlingssonate« bis zu der gewichtigen »Erzherzogssonate«, die auf den Spätstil hinweist.

Beethovens populärstes Werk für diese Besetzung ist die enorm virtuose, dämonisch angehauchte »Kreutzer-Sonate«, die ihren Namen dem Widmungsträger, einem französischen Geigenvirtuosen, verdankt. Sie vereint wie ein Brennspiegel sämtliche Aspekte von Beethovens Violinsonaten-Schaffen. Mit großem Nuancenreichtum vollführten Faust und Melnikov diesen aberwitzigen Rundumschlag von heroischer Virtuosität über dahin getupften Liebreiz bis zum derben Tanz.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal