Militär im Außenhandelseinsatz

Bundespräsident Köhler löst mit Interviewaussagen zur Bundeswehr politischen Tumult aus

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundespräsident Horst Köhler hat in einem Interview den Krieg in Afghanistan mit deutschen Wirtschaftsinteressen zu rechtfertigen versucht. Er trat damit eine Lawine los.

Monatelang war von ihm wenig bis gar nichts zu hören gewesen, so dass bereits die mediale Frage nach seinem Verbleib laut geworden war. Nun ist er wieder da. In einem Interview hat Bundespräsident Horst Köhler am Samstag einige Gründe für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan genannt, die bisher allenfalls von Kritikern des Einsatzes vorgebracht, von seinen Verteidigern allerdings immer heftig bestritten wurden.

Es seien wirtschaftliche Interessen, denen die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen Geltung verschaffe, so lautet der Kern der Köhlerschen Bemerkungen gegenüber Deutschlandradio Kultur, die erst jetzt die angemessene öffentliche Beachtung gefunden haben. Wörtlich sagte Köhler: »Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.«

Die Reaktionen auf Köhlers Interview sind heftig – zunächst sah sich der Rundfunksender mit den Anrufen seiner Hörer konfrontiert, dann ergriff die Empörung auch das politische Berlin. SPD und Grüne, die 2001 als Regierungskoalition den Einsatz der Bundeswehr ausgelöst hatten, entrüsteten sich über Köhler. Der schade mit seinen Äußerungen der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr, vermerkte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, gegenüber dem »Spiegel«. Denn diese Einsätze dienten der Sicherheit Deutschlands, nicht seinen Wirtschaftsinteressen. Grünen-Fraktions-Vize Frithjof Schmidt hielt Köhlers Äußerungen für »brandgefährlich«. Sie offenbarten ein »für das Präsidentenamt inakzeptables Verständnis von Verteidigungs- und Sicherheitspolitik«.

Die Vorsitzende der Linkspartei Gesine Lötzsch kritisierte nicht Köhlers Offenbarung, sondern erneut den Einsatz selbst. Köhler habe die Katze nur aus dem Sack gelassen. Nun gebe es allerdings einen weiteren Anlass zur Debatte im Bundestag. Das Grundgesetz verbiete »Wirtschaftskriege«. Klaus Ernst, Kovorsitzender der LINKEN, forderte eine Neuabstimmung über den Einsatz. Lötzsch kritisierte Köhlers im Interview gemachte Bemerkung, man müsse sich an Tote im Krieg gewöhnen. Weder sie noch ihre Partei seien dazu bereit. Die Reaktionen veranlassten Köhler am Donnerstag, zurückzurudern. Mit seinen Bemerkungen habe er nicht Afghanistan gemeint.

Der Außenexperte der CDU Rupert Polenz versuchte die Wogen zu glätten. »Ich glaube, der Bundespräsident hat sich hier etwas missverständlich ausgedrückt.« Er habe keine neue Militärdoktrin für Deutschland verkünden wollen.

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