Zwischen den Zentren

25 Jahre Kunstsammlung Lausitz

  • Sebastian Hennig
  • Lesedauer: 4 Min.

Als weithin einzige Zitadelle verfügt die Senftenberger Burg über noch erhaltene Verschanzungen, aus purem Erdreich. Diese einfache Bastion diente lange als der nördlichste Abwehrposten Sachsens. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, überrannte der alte Fritz die Festung im Siebenjährigen Krieg. Das Schloss wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhundert zum Museum umgebaut. Nach 1945 fanden in Senftenberg bedeutende Kunstausstellungen statt, u. a. aus den heimatlos gewordenen Beständen der Dresdner Gemäldegalerie Neue Meister.

1985 wurde die Kunstsammlung Lausitz eingerichtet. Diese Sammlung ist kein Sammelsurium. Die Entscheidungen und Einsichten des Leiters Bernd Gork bewirkten in 25 Jahren ein dichtes und unverwechselbares Erscheinungsbild. Versammelt sind Werke von Künstlern, die in der Lausitz arbeiten, hier geboren wurden oder über ihr Werk mit der Region in Verbindung stehen. Alle äußeren Vorgaben und Veränderungen konnten von einer Gefährdung zur günstigen Gelegenheit umgekehrt werden. Das politische Gebot an die Maler, in der Tagebauregion Motive zu finden, bewirkte manches Werk von bleibendem Wert.

Nach 1989 ergaben sich Möglichkeiten, Aspekte der Sammlung zu erweitern, die unterrepräsentiert waren, und andere, die aus politischen Gründen gar nicht vertreten waren, anzufügen. Die versammelten Kunstwerke stehen in der Spannung zwischen den nahen Zentren in Berlin und Dresden. Bautzen ist mittendrin eine Art Provinzhauptstadt. Andauernd nonkonformistische Künstlerpersönlichkeiten wie Hans Kutschke, Harald Metzkes und Horst Weise nahmen von dort aus ihren Weg. In den Werken der Landschafter Herbert Tucholski, Lutz Jungrichter, Albert Wigand, Wulff Sailer und Horst Bachmann erhält die Eigenart der Lausitzer Gefilde eine bildnerische Überlieferung.

Selbst in eine Einheit zu münden, die nicht eintönig wirkt, ist das Kennzeichen einer guten, das heißt einer mutig-subjektiven Sammlertätigkeit. Da hat gewiss auch die räumliche und finanzielle Beschränkung formgebend gewirkt, wenn notgedrungen die Prominenten in überschaubaren Formaten vertreten sind und zum Beispiel eine Offset-Litho von Gerhard Richter oder eine Radierung von Georg Baselitz in einer Dimension mit Radierungen von Wolfram Hänsch oder Ute Wittig wahrgenommen werden. Insgesamt geht es weniger darum, einen spezifisch Lausitzschen Ton in der bildenden Kunst zur Anschauung zu bringen, als vielmehr um die erfreuliche Tatsache, dass erstrangige Malerei, Grafik und Plastik auch hier stattfand und stattfindet, wie andernorts.

Besondere Beachtung verdient die ausgewogene Plastik-Abteilung. Die ansässigen Bildhauer Heinz Mamat, Jürgen von Woyski, Ernst Sauer und Siegfried Schreiber vertreten die figürliche Plastik auf hohem Niveau. Die Skulptur stand auch am Beginn der Sammlungstätigkeit nach dem Krieg. Günther Wendt (1908-71), Museumsdirektor und Maler wie Gerhard Lampa, sein Nachfolger im Amt, sicherte die große Bettler-Skulptur von Ernst Barlach für das Museum. Heute steht sie in einer Nische im Innenhof des Schlosses. Der Bettler ist Teil der »Gemeinschaft der Heiligen«, die in einem nahe gelegenen Klinkerwerk für die Lübecker Katharinenkirche gefertigt wurde. Es handelt sich vermutlich um einen Probebrand, der im Betrieb zurückgeblieben ist. Außer der Lübecker Figur gibt es neben dem Senftenberger Exemplar nur noch eines in Cambridge.

Eine andere Bergungsaktion galt in jüngerer Zeit zwei Lausitzer Landschaften von Harald Metzkes, die in einer Reihe von insgesamt vier Gemälden im Volkskammerbereich des Palast der Republik in Berlin hingen. Der Künstler restaurierte auf eigene Kosten den Himmel über den »Lausitzer Bergen« in dem ein großes Triangel klaffte. Zusammen mit der »Parklandschaft« gleicher Herkunft hängt das Bild seither als Dauerleihgabe der Bundesrepublik in Senftenberg. Die Schenkung des Gemäldes »Gartenfest in Bargfeld« (1999) bekundet die Verbundenheit des Malers mit dieser Einrichtung. Das Bild ist ebenfalls in der Jubiläumsschau zu sehen.

Schließlich wird eine solche Sammlung in der Provinz nach Jahrzehnten in ihrer Dichte insgesamt weniger provinziell und zeitverhaftet wirken, als manche der neueren Abteilungen der großen Häuser. Die Sorge um den Anschluss an den aktuellen Diskurs überwiegt dort oft das nötige Gespür für die feinen seismischen Impulse, mit denen sich eine gemäße Entwicklung in der Kunst bemerkbar macht. Während das Dresdner Albertinum auf undurchsichtige Weise zur Gerhard-Richter-Vorlass-Stätte wird, spiegelt das lachhaft kleine Museum in Senftenberg in paritätischer Würde die zeitgenössische Kunst wider.

»25 Jahre Kunstsammlung Lausitz«. Schloss und Festung Senftenberg, bis 27. Juni, Di-So 10-17 Uhr. www.kunstsammlung-lausitz.de

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