Glück jenseits von »Immer-mehr-Haben«

Parallel zu den UN-Klimagesprächen in Bonn trafen sich Aktivisten zum Alternativforum

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
In Bonn finden bis zum 11. Juni die »Bonn Climate Talks« statt, die den nächsten Klimagipfel in Cancún im November vorbereiten sollen. Die Kritiker des offiziellen Verhandlungsmarathons trafen sich parallel zum Klimaforum Bonn.

Schon der Kopenhagener Klimagipfel 2009 scheiterte grandios. Bleibt es beim damaligen Verhandlungsstand, dem »Copenhagen Accord«, bedeutet das eine globale Erwärmung um drei bis vier Grad Celsius. Als gerade noch akzeptabel erachtet werden gemeinhin zwei Grad. Und selbst dann drohen Länder wie Bangladesch im Meer zu versinken. Der »Copenhagen Accord« war von den »29 Freunden des Konferenzvorsitzenden« formuliert worden.

»Wir hatten 16 Minuten Zeit, um den Textentwurf zu lesen«, beklagt sich Pablo Solon, UN-Botschafter Boliviens, am Freitag auf dem Klimaforum Bonn. »Glauben Sie, dass sei demokratisch?« Nur sozialer Druck könne den Planeten retten. Solon fordert insbesondere ein weltweites Plebiszit über die Senkung des Treibhausgasausstoßes.

»Alles muss man selber machen«, lautet der Untertitel des Klimaforums, das von ATTAC und dem Umweltverband BUND organisiert wurde. Auf der Tagesordnung stand die Debatte über Alternativen in den klimarelevanten Feldern Energie, Ernährung, Konsum, Verkehr und Welthandel. Mohssen Massarrat, Professor für Politik und Wirtschaft, plädierte für eine Obergrenze bei Import und Nutzung klimaschädlicher Energieträger wie Öl und Kohle. Diese Obergrenze solle schrittweise gesenkt werden. Entscheiden solle dabei ein »demokratisches Gremium«, in dem Konzerne, Gewerkschaften und Umweltverbände an einem Tisch säßen. So könnten »die Konzerne an die Kandarre gelegt werden«, glaubt Massarat. Der Wandel werde neue Märkte und so auch neue Arbeitsplätze schaffen.

Angestoßen wurde insbesondere eine neue Diskussion über die Grenzen des Wirtschaftswachstums. Wenn die Wirtschaft pro Jahr um drei Prozent wächst, dann werden die bestehenden Probleme massiv verschärft. Denn dann verneunzehnfacht sich die Produktion binnen Jahrhundertfrist. Deutschland muss aber seinen Treibhausgasausstoß mittelfristig um 80 bis 90 Prozent senken. Geht beides gleichzeitig? Nein, definitiv nicht, sagen Alexis Passadikis von ATTAC und Angelika Zahrnt, Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung. »Wir müssen Alternativen finden: Was macht uns glücklich, wenn nicht das Immer-mehr-Haben?«, so Zahrnt. Die Ökonomin plädierte für sozialen Ausgleich statt Wachstum.

Sie bezog sich dabei auf Messergebnisse der Glücksforschung, die besagen, dass Solidarität und soziale Gleichheit glücklicher machen als mehr Geld – jedenfalls dann, wenn die wichtigsten materiellen Bedürfnisse befriedigt sind. Ob eine Marktwirtschaft ohne Wachstum funktionieren könne, sei »eine offene Frage«, so Zahrnt.

Alexis Passadakis ist skeptisch: »Kapital wird investiert, damit es wächst. Wächst es nicht, wird nicht investiert.« Der ATTAC-Mann warnte zudem vor neoliberalen »Wachstumskritikern« wie Meinhard Miegel. Der einflussreiche Sozialwissenschaftler rede von »Wohlstand ohne Wachstum«, rechtfertige aber einen massiven Sozialabbau.

Viele Themen wurden durchaus kontrovers diskutiert: Wie verhält man sich zum offiziellen Verhandlungsprozess? Taugt der Emissionshandel, und sei es auch nur in seiner »utopischen« statt der »realen« Form? Wie viel Klimafreundlichkeit kann man dem Kapitalismus abringen? Eines jedoch ist klar: Die Bewegung will nicht nur Klimaschutz, sondern Klimagerechtigkeit – für alle Bewohner des Planeten Erde.

www.bund.net/klimaforum

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