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Fußballgott aus Johannisthal

Treptower Kirchenkicker feierten 30. Geburtstag

  • Hajo Obuchoff
  • Lesedauer: 2 Min.

Verlieren ist wie gewinnen, nur umgekehrt, lautet der Leitspruch der Fußballer des »Kleinen, Kirchlichen, Kreativen und Kulturellen Sportvereins Johannisthal 1980«, kurz KSV genannt. Deshalb wird auch die 1:2-Niederlage im Finale des Geburtstags-Turniers am Sonnabend gegen die Amtmänner aus Köpenick locker hingenommen. »Wir sind heute sowieso nur zum Feiern hier«, meint Elmar Werner, der gewichtige KSV-Präsident. Auf dem Käthe-Tucholla-Sportplatz in Oberspree geht es dann bis in den Abend hinein.

Als vor 30 Jahren an einem Biertisch in Johannisthal der Protestant Elmar Werner und sein katholischer Freund Justus Döring saßen, hatten sie nicht vor, einen ökumenischen Kirchenbund, sondern einen alternativen Fußballverein zu schmieden. Das Projekt wurde dann nicht nur von der Stasi beäugt, die Kirche selbst war misstrauisch. Eine Eulenspiegelei: während die Stasi dachte, die Christenkicker spielen unter dem Dach des Herrn, meinten die Kirchenfürsten wohl: Naja, wenn die Organe nichts dazu sagen…

Spektakuläre Fußball-Turniere wurden nun organisiert. Balltreter der sowjetischen Botschaft, der CSSR und Polens kamen, und Elmar hatte auch noch einige westliche Diplomatenteams eingeladen. Ende der 1980er Jahre spielte der KSV sogar gegen den Berliner SC und den SC Dresdenia aus dem Westteil der Stadt. »Klar, das hat man beobachtet«, meint der KSV-Präsident. »Aber irgendwie ging alles glatt.« Größter Erfolg der Vereinsgeschichte ist ansonsten der Meistertitel der 3. Kreisklasse Berlin-Köpenick im Jahr 1988.

Elmar Werner ist nicht nur Theologe, sondern auch gelernter Koch. Nach dem Fall der Mauer arbeitet er zunächst in beiden Professionen. Bald kommt eine dritte hinzu: Musikmanager. Ein guter Mix. Essen hilft bei der Kommunikation. Und Fußball und Musik lässt Vertrauen wachsen. So knüpfte er schnell Kontakte zu Hobbyfußballern der israelischen Botschaft. Heute organisiert er Sport-, Kultur- und Wirtschaftsbegegnungen zwischen beiden Ländern. Klar, dass zum 30. Geburtstag auch eine israelische Mannschaft auf dem Platz steht.

Selbst Sport-Reporter-Legende Werner Hansch aus dem Ruhrpott ist angereist: »Der Elmar hat mich immer wieder angerufen, bis ich zugesagt habe.« Fußballgott Elmar Werner steht hinter dem Tor seiner Mannschaft. Was der einstige Jugendpfarrer auf´s Spielfeld ruft, ist derbes Kickervokabular.

Auf einer Bühne spielen dann »Neues Glas aus alten Scherben« Lieder aus alten Scherben-Zeiten. Auf dem Grill schrumpeln die letzten Bratwürste, und der Zapfhahn läuft und läuft.

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