nd-aktuell.de / 08.06.2010 / Brandenburg / Seite 12

Treppauf, treppauf zur Hölle

Mit »Don Juan« begann die Sommersaison im Amphitheater

Lucía Tirado
Aufregende Aussichten im Hoftheater
Aufregende Aussichten im Hoftheater

Wie Engel Raffaels wirken die Bräute, die sich in Don Juans Haus unterm Dach übers Geländer beugend sammeln. Es werden immer mehr. Von ganz oben sieht man die Sache mit großer Skepsis. Der Herr da unten übt sich in Maßlosigkeit. Sie sei der Grund zur Erderwärmung und ähnliche Komplimente lassen Dame für Dame in seinen Armen dahinschmelzen. Sein Diener Scanarelle muss indes am Rande des Nervenzusammenbruchs das Schlimmste abwenden, wenn zu den Damen gehörende Männer auf Vergeltung sinnen. Doch auch er zieht aus dem Geschehen ab und an seinen Nutzen, wenn die Weiber nun mal willig sind.

Der Jubel wollte nicht enden nach der Premiere von Jan Zimmermanns Inszenierung »Don Juan« im Amphitheater vor 400 Zuschauern. Das Ensemble des Hexenkessel Hoftheater eröffnete mit dem Stück seine Sommersaison 2010 im Monbijoupark. David Regehr schuf mit einem Holzhaus eine fantastische Kulisse für das Spektakel. Zimmermann füllte sie so imposant mit komödiantischem Spiel, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinsehen soll. Treppauf, treppab geht es in seiner Version der Komödie von Molière. So kompensiert der Regisseur geschickt das Umherreisen des Lebemanns im Originalwerk. Stark unterstützt werden die Szenenwechsel mit dem ruhelosen Sperminator durch die pointiert eingesetzte Musik von Markus Götz.

Matthias Horn spielt Don Juan voller Kraft und zeigt dabei so viel Lebensfreude und unbezwingbaren Charme, dass ihn das Publikum schon liebt, kaum dass es einen Hemdzipfel von ihm sieht. Aber es weiß durchaus auch umzugehen mit Don Juans Frechheit und der Arroganz, mit der der zweifelhafte Held seinen Vater – gespielt von Andreas Köhler – kalt abfahren lässt. Typisch für den Respektlosen, der meint, diese Welt, in der man öfter betrogen als gegrüßt werde, sei eine Resterampe und er der Schnäppchenjäger.

Abgesehen davon, dass Carsta Zimmermann, die als Scanarelle im Hause die 24 Stufen auf und ab unterwegs ist und damit zum Saisonende wahrscheinlich ihre Bikinifigur erlangt haben wird, am Ende den größten Applaus einheimst, gibt es nur eine Szene, in der Don Juan die Show gestohlen wird. Das schafft Vlad Chiriac als José mit seinem hinreißenden Verzweiflungs-Flamenco. Aber selbst der bringt ihm seine von Don Juan ausgespannte Verlobte Juanita nicht zurück. Julia Hell spielt sie einerseits zart und andererseits eigensinnig und komisch.

Etwas ernsterer Natur ist die Rolle von Rebekka Köbernick angelegt, die als die von Don Juan aus dem Kloster entführte und wieder dorthin findende Donna Elvira letztlich dem Verführer die letzte Warnung Gottes zukommen lässt. Doch der spottende Unverbesserliche – von ihr als »gotteslästerliches Schwein« bezeichnet – ist natürlich nicht aufzuhalten. Und so fährt er zur Hölle – ohne Reue. Denn weibliche Rache, die subtiler ist, erwog Molière für dieses Stück nicht.

Die mit Witz kreierten Kostüme von Isa Mehnert verhelfen auch kleinen Auftritten in diesem Stück zu Größe. Herrlich ausstaffiert ist Torsten Schnier als dicker Gusman oder als kampflustiger, jedoch sich an Regeln der Ehre haltende Don Carlo mit Hähnchenschenkel-Neid-Hosen, die auch Vlad Chiriac als Don Alonso vorführen darf. Als riesiges Standbild des Komturs steigt Jefferson Preto auf Stelzen herab.

All das ist von Jan Zimmermann in schöne Bilder gebracht und von Roger Jahnke einfühlsam choreografiert. So zeichnet diese neue Hexenkessel-Inszenierung wieder die Qualität lange zusammen arbeitender und aufeinander eingestimmter Profis aus.

Die wortlosen Rollen der sich ansammelnden Bräute übernahmen Assistentinnen des Theaters. Sie machen das gut und tragen mitunter Masken. Don Juan hat es längst aufgegeben, sich Gesichter zu merken. Dass seine Umtriebe Unwillen beim weiblichen Publikum erregten, war nicht erkennbar. Eine Stärke der Frauen ist es eben, um ihre Schwächen zu wissen. Und, du meine Güte, Don Juan ist eben nur ein Mann.

Bis 11.9., Di.-Sa. 19.30 Uhr, Amphitheater Monbijoupark (gegenüber dem Bode-Museum), Oranienburger Str., Mitte, Tel.: 288 86 69 99, Infos unter www.amphitheater-berlin.de[1]

Links:

  1. http://www.amphitheater-berlin.de