nd-aktuell.de / 16.06.2010 / Politik / Seite 4

Ganz Lübeck wird in Kiel erwartet

Protest gegen Sparpaket Nord vor Höhepunkt

Velten Schäfer
In einem einmaligen Appell hat die Lübecker Stadtspitze die Bevölkerung zu Protesten nach Kiel gerufen.

Richtung Kiel waren heute früh besonders prekäre Verkehrsverhältnisse zu erwarten – hoffte noch gestern zumindest halb Lübeck. Ausdrücklich die ganze Stadt war aufgerufen, sich nach Kiel zum Demonstrieren zu begeben – aufgerufen von ganz Lübeck selbst: von Oberbürgermeister Bernd Saxe (SPD), von den Fraktionen der Bürgerschaft inklusive schwarz und gelb, von der Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer, von der lokalen Wirtschaft und von den regionalen Medien.

Es geht um die medizinorientierte Universität, die laut Sparpaket von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ausgerechnet ihren Medizinerzug verlieren soll. »Der Erhalt unserer Uni geht uns alle an. Ohne Medizinerausbildung droht die Schließung der Universität Lübeck. Auch der Campus des Universitätskrankenhauses als Standort der maximalen Krankenversorgung steht dann auf der Kippe, wenn es vor Ort keine Uni mehr gibt«, heißt es in der Erklärung der Stadtpolitik.

Da kann die Uni selbst natürlich nicht zurückstehen: »Für den 16. Juni gebe ich selbstverständlich einen dies academicus«, so Uni-Präsident Peter Dominiak. An mindestens einer der Fachhochschulen ist ebenfalls frei. Man müsse möglichst viele Lübecker nach Kiel bringen, heißt es allenthalben. Die sonst ruhige Stadt scheint wie elektrisiert, die Bürgerschaft hat sogar schon trotzig vor dem Landeshaus in der Hauptstadt getagt, nachdem ihr nicht gestattet worden war, dies im Plenarsaal selbst zu tun.

Beginnen soll die Großkundgebung gegen das Sparpaket, Carstensen und seinen Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) heute um 15 Uhr vor dem Landeshaus in Kiel. Außer den Lübeckern werden größere Delegationen aus Flensburg erwartet, wo die Universität ebenfalls wichtige Studiengänge verlieren soll; die Kieler Studierenden haben erklärt, nicht abseits stehen zu wollen. Weiterhin ruft die Bildungsgewerkschaft GEW auf, die gerade gegen Mehrarbeit und die aus ihrer Sicht chaotische Einführung des »Turbo-Abiturs« gestreikt hat.