nd-aktuell.de / 19.06.2010 / / Seite 22

Kriegskurs

Horst Diere

Längst war Deutschland in seinen maritimen Rüstungen über die entsprechenden Bestimmungen des Versailler Vertrags hinausgegangen. Noch am Ende der Weimarer Republik forcierte die Marineleitung unter Admiral Erich Raeder mit dem »Umbauplan der Reichsmarine« vom 15. November 1932 die seit Anfang der 20er Jahre geplanten und durchgeführten deutschen Rüstungen zur See, die in Hitlerdeutschland ihre weitere Verwirklichung und verstärkte Fortsetzung finden sollten. So war z.B. mit dem Bau von zwei 26 000 Tonnen großen Schlachtschiffen begonnen worden – die späteren »Scharnhorst« und »Gneisenau« – während nach dem Versailler Vertrag nur 10 000-Tonnen-Schiffe zugelassen waren. Auch der vom darin auf 15 000 Mann festgelegte Personalbestand der Marine wurde bereits 1934 um 10 000 überschritten.

Hitlers lange vor 1933 propagiertes außenpolitisches Fernziel der Eroberung von »Lebensraum« im Osten fand bei den politischen Kräften in Großbritannien, die im faschistischen Deutschland ein »Bollwerk des Westens gegen den Bolschewismus« (Halifax) erblickten, Zustimmung. Der Diktator beteuerte zudem, die deutsche Flottenrüstung sei lediglich auf die Seeherrschaft in der Ostsee und gegen die Sowjetunion gerichtet. Er bot den Briten ein für die Royal Navy nicht bedrohlich erscheinendes Flottenabkommen an. Der am 18. Juni 1935 auf unbegrenzte Dauer unterzeichnete Vertrag ermöglichte Hitlerdeutschland, seine Kriegsflotte auf 426 450 Tonnen statt der im Versailler Vertrag gestatteten 144 000 Tonnen zu vergrößern.

Mit diesem Abkommen begann die britische Regierung Baldwin die verhängnisvolle »policy of appeasement« (»Befriedungspolitik«). Als einer der wenigen Kritiker des Vertrags verurteilte ihn Winston Churchill: Es sei der »Gipfel der Leichtgläubigkeit«, dass Deutschland sich an das U-Boot-Protokoll halten werde. Großbritannien hatte das Flottenabkommen abgeschlossen, ohne Frankreich zu verständigen. Der entsprechende Protest aus Paris gegen diese Aufhebug des Versailler Vertrages blieb unbeachtet.

Das Abkommen ergänzten 1936 ein Flottenmemorandum und 1937 ein Zusatzprotokoll. In einer Reichstagsrede am 28. April 1939 kündigte Hilter dann das Flottenabkommen auf.