nd-aktuell.de / 01.07.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Zu milde Strafe für Hungerlöhne?

Peter Schulze (IG BAU) über ein wegweisendes Urteil gegen Lohndumping / Peter Schulze ist Regionalleiter der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und zuständig für Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen

Fragwürdig: Zu milde Strafe für Hungerlöhne?

ND: Am Dienstag verurteilte das Magdeburger Landgericht einen Reinigungsunternehmer wegen Lohndumpings. Er hatte seinen Mitarbeiterinnen statt des geltenden Mindestlohnes von 7,68 Euro maximal 1,79 Euro pro Stunde gezahlt. Das Urteil gilt als wegweisend, weil die Magdeburger Richter erstmals das Unterschreiten des Mindestlohnes als Straftat bewerteten. Trotzdem kam von Ihrer Gewerkschaft Kritik an dem Urteil. Wieso?
Schulze: Man muss dieses Urteil von zwei Seiten betrachten. Es ist natürlich eine tolle Sache, dass ein Gericht nun erstmals entschieden hat, dass Lohndumping kein Kavaliersdelikt ist, sondern ist eine Straftat. Wenn man sich aber anschaut, dass dort jemand jahrelang Menschen ausgebeutet hat, dann fällt die verhängte Geldstrafe von insgesamt 1000 Euro lächerlich gering aus. Schließlich hat das Gericht selbst nachgerechnet und dabei festgestellt, dass die Stundenlöhne teilweise sogar unter einem Euro pro Stunde lagen.

Ist die vergleichsweise milde Strafe nicht eine Einladung an Arbeitgeber, auch weiterhin Hungerlöhne zu zahlen?
Entscheidend ist, dass hier ein Durchbruch gelungen ist. Bislang wurden bei Lohndrückern, die mit dem Dumping erzielten Gewinne abgeschöpft. Zudem mussten sie geringe Strafe zahlen. Das hat niemanden abgeschreckt, weil er in den Fällen, in denen er nicht erwischt wurde, schon viel Geld scheffeln konnte. Jetzt hat ein Gericht entschieden, dass diese Unternehmer auch persönlich in die Pflicht genommen werden können. Sie gelten damit zukünftig als vorbestraft. In letzter Konsequenz gehört man dann auch nicht in das Handelsregister, sondern kommt in den Knast. Das ist schon eine ganz entscheidende Änderung und wird sicherlich den einen oder anderen davon abhalten, sittenwidrige Löhne zu zahlen.

Bevor die Lohndrücker verurteilt werden können, muss man ihnen erst mal auf die Schliche kommen. Wer kontrolliert eigentlich die Einhaltung von Mindestlöhnen?
Das zuständige Organ ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung. Eine Truppe, die hoffnungslos überlastet ist. Das sind ganz engagierte Leute, die ursprünglich nur für das Baugewerbe zuständig waren. Zwischenzeitlich hat sich ihr Aufgabenfeld aber enorm erweitert. So prüft die FKS nun auch das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Glas- und Gebäudereinigung, das Dachdeckerhandwerk sowie die Maler und Lackierer. Überall dort, wo wir nun Mindestlöhne haben, ist die FKS unterwegs und prüft. Dabei hat man es aber versäumt, den Mitarbeiterstab entsprechend zu erweitern. Wir fordern deshalb seit längerem eine Personalaufstockung. Nach unseren Berechnungen werden bundesweit mindestens 4000 zusätzliche Fahnder in dieser Behörde benötigt.

Wie viele FKS-Kontrolleure überwachen denn in Sachsen-Anhalt die Einhaltung von Mindestlohnvereinbarungen?
Die FKS hat circa 50 Beschäftigte in Sachsen-Anhalt.

Können sich von Lohndumping betroffene Arbeitnehmer selbst an die Zollverwaltung wenden?
Selbstverständlich. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist sogar auf derartige Tipps angewiesen. Auch wir als Gewerkschaft arbeiten mit der Behörde eng zusammen und geben oft Hinweise, wenn uns etwa Kolleginnen und Kollegen über derartige Verstöße informieren. In Extremfällen benachrichtigen wir auch den Prüfdienst der Mitteldeutschen Rentenversicherung, der ebenfalls die Möglichkeit hat, solche Verdachtsfälle zu prüfen.

Fragen: Fabian Lambeck