nd-aktuell.de / 12.07.2010 / Politik / Seite 4

Abenteuer?

Steffen Seibert - der »heute«- Moderator des ZDF wird ab August Regierungssprecher.

Als Günter Gaus vor Jahrzehnten aus dem Journalismus in die Mannschaft des regierenden Willy Brandt ging, nannte er das einen »Frontwechsel, von den Merkern zu den Machern«. Nun wechselt auch Steffen Seibert: Der »heute«- Moderator geht vom ZDF zu Angela Merkel.

Natürlich ist das die Stunde der Kritiker: Wie kann man nur? Nun liegt die Gefahr des Landläufigen nahe: Bislang angenehme Wirkungen des Journalisten Seibert erfahren ihre interpretatorische Umkehr. Die souveräne Ausstrahlung? Geschickt posierender Ehrgeiz. Die Popularität durch Generationen hindurch? Chamäleonisches Talent. Der glaubwürdige Vermittlungs-Charakter? Maskenspiel eines Laufbahnsprinters.

Aber es ist wohl unfair, von Wesen und Werk einer Regierung unmittelbar auf deren Sprecher zu schließen, obwohl diese Tätigkeit nichts mehr mit freiem Journalismus zu tun hat. Wer für eine Regierung spricht, ist immer auch ein Rhetor des Verschweigens. Seibert, auf Wegen vom Volontariat über USA-Korrespondentenzeit und »Morgenmagazin« bis hin zum »heute«-Journal ein schier ewig bestallter ZDF-Beamter geworden, nennt »Abenteuerlust« als Antrieb für den überraschenden Schritt. Merkel, ein Abenteuer?

Seibert wurde 1960 in München geboren, er studierte Geschichte in Hamburg und London. Seine Intelligenz, seine Reaktionssicherheit, gepaart mit sympathischem Aushaltevermögen für unklare Situationen – Berichterstattung und Moderation rund um den 11. September 2001 eröffneten erstmalig den Blick für die Besonderheit dieses Journalisten. Die FAS nennt ihn einen »kleinen Bruder des Dorian Gray, der über das Robert-Redford-Gen« verfüge. Die Verwunderung, die im ZDF über Seibert ausgebrochen sei, widerspiegele die »Bunkermentalität« von »Staatsjournalisten« – ausgerechnet in einem Sender, der nach dem Fall des Chefredakteurs Brender für eine wahre Verflechtung »zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Politik« stehe.

Seibert hatte als Nachrichten-Geber jene Aura, die exakt zwischen Distanz und Nähe einen verlässlich festen Boden stilvoller Ernsthaftigkeit bildete. Man geriet nicht in Gefahr, wegen der bösen Botschaft dem Boten gram zu sein. Dies könnte sich ändern. H.-D. Schütt