nd-aktuell.de / 13.07.2010 / Politik / Seite 20

»Peterporn« entsetzt Indonesien

Politiker aller Parteien fordern schärfere Internetzensur

Michael Lenz, Jakarta

Unter ungeklärten Umständen sind zwei Videos von Sexakten zwischen drei Promis in Indonesien an die Öffentlichkeit gelangt. Männlicher Hauptdarsteller in den unscharfen Handykamerafilmchen ist Nazril »Ariel« Irham, Frontman der Popgruppe »Peter Pan« zu sehen. In dem einen amüsiert sich Ariel mit seiner Model-Lebensgefährtin Luna Maya. In dem anderen mit seiner Ex, der Fernsehmoderatorin Cut Tari. Die privaten Videos erzielen riesige Downloadraten im Internet und fehlen auf kaum einem der geschätzten 140 Millionen Handys in Indonesien.

In einigen Regionen hat die Polizei bereits auf Schulhöfen Razzien durchgeführt und jedes Handy beschlagnahmt, auf dem eine Peterpornkopie zu finden war. Politiker aller Parteien und islamische Hardliner überbieten sich gegenseitig mit Forderungen nach einer schärferen Zensur des Internets. Informationsminister Tifatul Sembirin von der islamischen »Wohlstands- und Gerechtigkeitspartei« (PKS) wittert die Chance, endlich das von der PKS vor zwei Jahren durchgesetzte »Antipornogesetz« öffentlichkeitswirksam einzusetzen. Das Gesetz, das unter dem Deckmantel des Jugendschutzes islamische Moralvorstellungen in weltliches Recht einschmuggelt, verbietet jegliche Zurschaustellung nackter Haut. Egal ob in Kunst, Hollywoodfilm oder eben Pornos. Bikinis sind nur noch in den Touristengebieten Balis erlaubt und bei wortgetreuer Auslegung des Gesetzes, so Kritiker, könne gar Jesus am Kreuz als Pornographie gewertet werden.

Nach dem »Antipornogesetz« drohen den Promis jetzt Haft bis zu zwölf Jahren und saftige Geldstrafen, denn das Antipornogesetz verbietet selbst private Aufnahmen sexueller Aktivitäten im trauten Heim. Deshalb dementieren die drei Stars alles und behaupten tapfer, düstere Verschwörer hätten die Videos mit Doppelgängern gedreht.

Dabei sind die mehrheitlich muslimischen Indonesier alles andere als prüde. Porno-DVDs sind auf den Märkten Jakartas der Renner. Prostitution ist ein großes Geschäft. Dass es aber gleichzeitig auch an Sexualaufklärung mangelt, zeigen die steigenden Zahlen von ungewollten Schwangerschaften sowie von Geschlechtskrankheiten unter Indonesiens Teenagern.

Ein Paradebeispiel für diese Doppelmoral ist die Reaktion der militanten »Islamischen Verteidigungsfront« auf »Peterporn«. Entweder die drei Promis werden sofort verhaftet oder sie werde in Jakarta Pornoverkaufsstände zerstören. Mit anderen Worten: Pornos dürfen weiter verkauft werden, wenn die drei Promis auf dem Altar der islamischen Moral geopfert und die Machtstrukturen nicht in Frage gestellt werden.

Politik und einflussreiche konservative islamische Religionsführer erleben ohnmächtig die Macht der modernen Technik, über die Sexvideos genauso schnell verbreitet werden können wie Informationen über Korruption und Machtmissbrauch. Eine der jüngsten politischen Netzkampagnen ist eine Petition auf Facebook an das Parlament, endlich die »Islamische Verteidigungsfront« zu verbieten.