»Befreit«

Kafka, Brod:

  • Ulrich Sahm, Jerusalem
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach vierzig Jahren werden in der kommenden Woche Manuskripte von Franz Kafka und Max Brod aus sechs Panzerschränken in Tel Aviver Banken und weiteren vier in Zürich »befreit«. Am Montag 10 Uhr erschienen Rechtsanwälte bei der Kikar-Hamedina Filiale der Discount Bank mit einem richterlichen Befehl in der Hand. Nach monatelangen Gerichtsverhandlungen ist das Urteil gefallen, die seit vierzig Jahren versperrten Schriftstücke der beiden Autoren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wie die Zeitung »Haaretz« meldet, sei plötzlich Eva Hoffe in der Bankfiliale aufgetaucht und habe mit lauten Rufen »Das gehört mir, das gehört mir« versucht, die Herausgabe der Papiere an die Anwälte zu verhindern. Hoffe ist die Tochter von Esther Hoffe, der verstorbenen Privatsekretärin Brods. Die Schwestern Hoffe, Eva und Ruthie, halten sich für die rechtmässigen Erben des Nachlasses von Brod und Kafka. Brod hätte eigentlich Kafkas Hinterlassenschaft verbrennen sollen, brachte es jedoch im Koffer nach Tel Aviv, als er vor den Nazis aus Prag floh.

Die Nationalbibliothek in Jerusalem hatte gegen die Schwestern geklagt, in deren Privatbesitz sich der Nachlass der Schriftsteller befindet. Die Nationalbibliothek will so auch verhindern, dass jüdischer

Nationalbesitz illegal ins Ausland gelangt. 1988 hatte Hoffe das Originalmanuskript von Kafkas »Prozess« für zwei Millionen Dollar an das Deutsche Literaturarchiv Marbach verhökert.

Die Anwälte sollen nun die Dokumente auflisten. Über die Inhalte wurde eine richterliche Nachrichtensperre verhängt, die von »Haaretz« angefochten wird. Anhand der Liste muss dann entschieden werden, ob das Material zu freien Verfügung steht oder aber zum Privatbesitz der Schwestern Hoffe gehört.

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