nd-aktuell.de / 15.07.2010 / Kultur / Seite 8

Auf der anderen Seite

Moon von Duncan Jones

Caroline M. Buck

Moon« ist ein wunderbar atmosphärisches Genre-Stück alter Schule, ein Science-Fiction-Film klassischer Machart (das heißt auch: mit einem Minimum an Digitaleffekten), ein doppelbödiges, lunares Kammerspiel mit reduziertem Figurenarsenal, ein minimalistischer Essay über Identität und Ausbeutung, über Einsamkeit, Entfremdung und die Zukunft der Gesellschaft, über Kern und Wert des menschlichen Lebens. Die Vorläufer, auf die Jones sich bezieht, sind offensichtlich, allen voran die Klassiker des Raumfahrt-Genres, Stanley Kubricks epochaler »2001 – Odyssee im Weltraum« und »Solaris«, das Original von Andrej Tarkowski ebenso wie sein werkgetreues Remake durch Steven Soderbergh.

Mit fünf Millionen Dollar verfügte »Moon« nicht annähernd über ein vergleichbares Budget, und vielleicht reicht sein philosophischer Ansatz auch nicht in ganz so unendliche Weiten. Atmosphärisch aber kann er es mit den Vorbildern aufnehmen, wozu die Musik von Clint Mansell ebenso beiträgt wie ein Mondstation-Set, das es fertigbringt, gleichzeitig die hochentwickelte Technologie einer nicht allzu fernen Zukunft abzubilden und die gewisse Schäbigkeit, die konstante menschliche Nutzung auch in einer noch so steril-technisierten Umgebung mit sich bringt.

Und natürlich Sam Rockwell in der zentralen Rolle des Sam Bell. Der lebt schon bald drei Jahre als Vertragsarbeiter einer Firma namens Lunar Industries auf dem Mond, die dort ein Gas abbaut, das den größten Teil des Energiebedarfs der Erde deckt. Mit seiner Familie zu Hause hat Sam Bell regelmäßigen Kontakt per Videobotschaft. In der Mondstation selbst leistet ihm nur der Bordcomputer Gesellschaft. Der heißt hier zwar nicht HAL wie bei Kubrick, sondern weiblich-verniedlichend Gerty, wird aber (im Original) gesprochen von Kevin Spacey, der eine Anmutung latenter Bedrohung unter einer Oberfläche äußerer Sanftheit von jeher in höchster Perfektion beherrschte. Dass Gerty nicht mehr bloß als körperlose Stimme aus der Deckenisolierung schallt, sondern sich mit Smiley-Figuren auf einem Monitor den Anschein eines Gesichts mit menschlichen Gemütsbewegungen gibt und diverse Instrumente an Tentakelarmen durch den Raum bewegt, lässt das Misstrauen gegenüber der sprechenden Maschine eher wachsen.

Die Sonderschicht auf dem Mond nähert sich dem Ende, die Ablösung ist auf dem Weg, und ein übernächtigter Sam Bell wird von Halluzinationen geplagt. Er baut einen Unfall mit dem Mondmobil, findet sich auf der Krankenstation wieder – und einen Mann, der haargenau aussieht wie er, zusammengebrochen am Steuer des Unfallwracks. Was die zusehends bangere Frage aufwirft, ob das ein Doppelgänger ist oder ist eine Projektion seiner selbst, in einer Zeitschleife gefangen. Ist einer ein Klon – und wenn ja, welcher der beiden? Sind beide Klone, und wer ist dann Sam Bell? Oder wird der vielleicht nur von den psychischen Folgen seiner langjährigen Einsamkeit genarrt? Und wie folgerichtig läuft die Zeit eigentlich ab? Ist alles chronologisch korrekt, wenn hier Moment B auf Moment A folgt, oder hat da vielleicht jemand an der Uhr gedreht?