nd-aktuell.de / 19.07.2010 / Politik / Seite 7

Langzeitarbeitslose allein zu Haus

USA-Senat lehnt bisher Verlängerung des Zeitraums für Beihilfezahlungen ab

Reiner Oschmann
Es gibt manche Gründe für die schwindende Beliebtheit Barack Obama in den USA, und einige haben nichts mit der Person und deren Entscheidungen zu tun. Eine der größten Hürden, die der Präsident nicht aus dem Weg zu räumen vermag, weil sie eine Schwächung der USA-Position im globalen Konkurrenzkampf widerspiegelt, sind Zunahme und Hartnäckigkeit der Langzeitarbeitslosigkeit.

Für weit über eine Million Langzeitarbeitslose lief Ende Mai die Arbeitslosenunterstützung aus. Seither müssen sie auf ihre Reserven – falls vorhanden – zurückgreifen. Der Senat sperrt sich dagegen, eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu billigen.

Die längstmögliche Anwartschaft war auf Drängen der Regierung während der jüngsten Wirtschaftskrise auf 99 Wochen erweitert worden. Doch das änderte nichts daran, dass nach jüngsten Angaben des Arbeitsministeriums in Washington gegenwärtig 1,4 Millionen Menschen 99 Wochen oder länger ohne bezahlte Arbeit sind und allen Anspruch auf Beihilfe verloren haben. Diese Personengruppe samt ihren Angehörigen – die Zahl hat sich der »Washington Post« zufolge in den vergangenen drei Jahren versechsfacht – befindet sich ohne Netz oder anderen Boden in freiem Fall, ohne dass der Gesetzgeber bisher zu neuen Hilfsüberlegungen bereit wäre.

Von derzeit rund 15 Millionen offiziell Arbeitslosen in den USA (eine Quote von knapp zehn Prozent) ist nahezu jeder zweite länger als sechs Monate ohne eigenes Einkommen. Und nach Angaben des Arbeitsministeriums, die auch Obama vor wenigen Tagen in einer Rede verwendete, kommen trotz Belebung der Wirtschaft im statistischen Mittel »auf ein Stellenangebot immer noch fünf Arbeitslose«.

Das Repräsentantenhaus stimmte angesichts der Dramatik der Situation im Mai einer sechsmonatigen Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosenbeihilfe im Rahmen wirtschaftlicher Notmaßnahmen zu. Der Senat, dessen mehrheitliches Ja für ein solches Gesetz erforderlich wäre, widersetzt sich diesem Ansinnen jedoch. Der Mehrheitsführer der regierenden Demokraten, Harry Reid, bekannte sein mindestens vorläufiges Scheitern, nachdem alle Republikaner und ein Senator der Demokraten den Gesetzentwurf auch im dritten Anlauf blockiert hatten.

Seit Beginn der Wirtschaftskrise im Dezember 2007 hatte der Kongress mehrere Verlängerungen der Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung über das in den USA übliche Limit von 26 Wochen in den am schwersten betroffenen Bundesstaaten gebilligt – bis zu 99 Wochen. Als jüngst die Erneuerung der Hilfsregelungen anstand, gaben viele Senatoren zu verstehen, dass ihre Bereitschaft gegen Null gehe. Als Begründung verweisen sie auf die riesige Verschuldung des Staatshaushalts.

Die »Washington Post« zitiert einen Betroffenen, den 50-jährigen Dwight Frazee aus Toms River (New Jersey), der vor zwei Jahren seinen Job als Bauarbeiter verloren und Ende Mai das letzte Arbeitslosengeld gesehen hat: »Mein Leben ist totaler Stress. Ich kann nachts höchstens vier Stunden schlafen, die Geldsorgen lassen mir keine Ruhe. Ich hatte Verständnis dafür, dass Präsident und Kongress die Banken stabilisieren und dafür sorgen mussten, dass die Wall Street wieder in Schwung kommt. Ich habe mir gesagt, irgendwas würde dann auch für die Mittelschicht getan werden, die man nicht vor die Hunde gehen lassen könne. Ich habe mich geirrt.«