Wenn Mieter selber tätig werden wollen

Aufrechnung

  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Vermieter haftet grundsätzlich immer für die im Mietvertrag zugesicherte Eigenschaft der Wohnung. Wenn daran ein erheblicher Mangel, wie z. B. Schimmelbefall, entsteht, ist der Vermieter unverzüglich zu informieren, um den Schaden beseitigen zu lassen. Zu dieser Meldung sind Mieter sogar gesetzlich verpflichtet (siehe § 536c BGB). Wird das unterlassen, kann der Mieter schadenersatzpflichtig werden.

Aber er hat in solchen Fällen auch einige Rechte. Wenn der als »erheblich« zu beurteilende Mangel an der Wohnung gemeldet wurde, kann die Miete ohne Antrag oder Genehmigung in dem Umfang gemindert werden, wie der Wohnwert eingeschränkt worden ist. Weil es dafür keine Tabellen oder detaillierte Vorschriften gibt, kann man sich an Urteilen in ähnlich gelagerten Fällen orientieren. Aber Vorsicht, diese Urteile sind nur für den Einzelfall verbindlich!

Zugleich mit der Mietminderung kann der Mieter dem Vermieter einen angemessenen Termin zur Beseitigung des Schadens stellen. In der Regel reagieren Vermieter oder deren Verwalter auch. Geschieht aber auch nach der Mietminderung nichts, kann der Mieter, als Druckmittel, beispielsweise das Drei- bis Vierfache der Minderungsquote solange zurückbehalten, bis der Schaden beseitigt worden ist. Das geht aus der Rechtsprechung hervor. Wenn der Schaden beseitigt worden ist, muss der zurückbehaltene Mietanteil aber zurückgezahlt werden. Notfalls kann ein Mieter auch von sich aus Handwerker zur Beseitigung des Schadens bestellen, wenn der Vermieter nicht reagieren sollte. In der Juristensprache heißt das, wenn der Vermieter »in Verzug« geraten ist. Dann kann für die Bezahlung der Handwerker ein Vorschuss verlangt werden. Wird das verweigert, kann der Mieter auch klagen oder die bezahlte Rechnung mit der Miete verrechnen. Dafür gibt es keine gesetzliche Bestimmung, aber aus der Rechtsprechung geht das hervor.

Sollte ein solcher Fall eintreten, sind diejenigen Mieter auf der sicheren Seite, wenn sie Mitglied eines Mietervereins sind, der sie über ihre Rechte informiert und diese auch vor Gericht vertritt, wenn der Fall vor den Kadi kommt.

Aber ob ein Vermieter der Forderung nach Kostenvorschuss nachkommen muss, hängt sehr vom Einzelfall ab. Wie aus einem jüngeren Urteil hervorgeht, können Mieter z. B. keinen Kostenvorschuss für eine Reparatur von Rissbildungen in der Mietwohnung verlangen, solange die Ursachen der Rissbildung nicht erforscht und beseitigt worden sind. Es ging um ein vermietetes Einfamilienhaus in Dresden, für das sehr hohe Reparaturkosten erforderlich wären, die der Mieter einklagte. Der Vermieter wandte vor Gericht dagegen ein, dass die Reparaturkosten erheblich höher sein würden, als der Verkehrswert des gesamten Hauses. Der erforderliche Aufwand würde die »Opfergrenze« überschreiten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Aber das Landgericht hat den Vermieter antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und dies damit begründet, dass der Mieter gemäß § 536a BGB Anspruch auf einen zweckgebundenen Vorschuss in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten habe. Daraufhin beantragte der Vermieter die Revision des Urteils beim Bundesgerichtshof. Dieser entschied wieder zu seinen Gunsten. (Das macht deutlich, wie kompliziert solche Gerichtsverfahren sein können). Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Vorschussanspruch seien – so der BGH – schon deshalb nicht erfüllt, weil die beabsichtigten Reparaturen zwecklos seien, solange nicht die Ursachen der Rissbildung erforscht und beseitigt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs endet die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort, wo der dazu erforderliche Aufwand die »Opfergrenze« überschreitet. Wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss von Fall zu Fall gewertet werden. Es dürfe kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts andererseits.

Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, ob die von dem Mieter beabsichtigten Reparaturen zur nachhaltigen Mangelbeseitigung geeignet sind, wie sich das Verhältnis von Sanierungskosten und Verkehrswert der Immobilie tatsächlich darstellt und ob es dem Vermieter unter Berücksichtigung dieser und der weiteren Umstände zugemutet werden kann, die Mängel zu beseitigen.

Urteile hierzu: Amtsgericht Dresden vom 5. September 2008, Az. 141 C 2898/08; Landgericht Dresden vom 22. April 2009, Az. 4 S 479/08; BGH-Urteil vom 21. April 2010, Az. VIII ZR 131/09

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