nd-aktuell.de / 23.07.2010 / Politik / Seite 10

Post-Mindestlohn in weiter Ferne?

Der Arbeitgeberverband NBZ will nun doch keinen neuen Mindestlohn mit ver.di aushandeln

Andrea Kocsis ist stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Mit ihr sprach für ND Ina Beyer über neue Entwicklungen in Sachen Post-Mindestlohn. Dieser war im Januar vom Bundesverwaltungsgericht gekippt worden. Eine Neuregelung steht weiter aus.
Andrea Kocsis ist stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Mit ihr sprach für ND Ina Beyer über neue Entwicklungen in Sachen Post-Mindestlohn. Dieser war im Januar vom Bundesverwaltungsgericht gekippt worden. Eine Neuregelung steht weiter aus.

ND: Der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste (AGV NBZ) hat angekündigt, nun doch nicht in Verhandlungen über einen Mindestlohn für Briefdienstleister treten zu wollen. Was bedeutet das für den Mindestlohn in der Branche insgesamt? Wie sieht die Bezahlung in der Branche derzeit aus?
Kocsis: Ein Mindestlohntarifvertrag besteht gegenwärtig mit dem AGV Postdienste. Die dort vertretenen Firmen zahlen den Mindestlohn. Die niedrigsten uns bekannten Löhne liegen um 5,50 Euro/Stunde. Das sind zumeist kleine mittelständische Unternehmen. Der Branchenführer Deutsche Post AG zahlt die höchsten Löhne.

Ist ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz für Briefdienstleister damit in unsichere Ferne gerückt? Die Politik hatte nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar die Tarifparteien aufgefordert, das Problem unter sich auszumachen. Wenn der Streitfall geklärt sei, stehe man einem neuen Mindestlohn nicht im Weg, hieß es. Es sieht nun nicht so aus, als würde es zu einer Klärung kommen ...
Die Befürchtung besteht in der Tat. Allerdings hat sich die Politik mit der Liberalisierung des Briefmarktes dazu verpflichtet, soziale Verwerfungen zu verhindern. Da ein Teil der Arbeitgeber einen Mindestlohn offenbar verhindern will, liegt der Ball letztlich nun wieder im Feld der Politik.

Sollte die Politik in das Verfahren eingreifen? Und wenn ja, wie?
Die Politik hat Zusagen gemacht, die jetzt eingehalten werden müssen. Es gibt ja bereits einen Postmindestlohn, der allerdings gegenwärtig nicht allgemeinverbindlich verordnet ist.

Wie realistisch wäre es etwa, den vom AVG Postdienste und ver.di ausgehandelten Mindestlohn-Tarifvertrag als allgemeinverbindliche Untergrenze neu festschreiben – rein rechtlich aber auch politisch betrachtet?
Darüber möchte ich nicht spekulieren. Wir wollen in jedem Fall, dass ein Postmindestlohn durchgesetzt wird. Dies ist auch politisch geboten, da sich zumindest ein Teil der Arbeitgeber offensichtlich einer gemeinsamen Lohnfindung verweigern will. Eine Lohnuntergrenze für die hart arbeitenden Beschäftigten in der Branche ist lange überfällig.

Welche Verfahrensfehler müssten dabei vermieden werden – denn es waren ja letztlich Verfahrensfehler, die dazu führten, dass der Postmindestlohn gekippt wurde?
Es müsste eine ordentliche Anhörung aller Beteiligten durchgeführt werden. Dann kann ein Postmindestlohn rechtssicher verordnet werden.