nd-aktuell.de / 24.07.2010 / Politik / Seite 5

Proteste gegen Neonaziaufmarsch

Rechtsextremisten wollen Bad Nenndorf zum Wallfahrtsort machen / Aktionen am 14. August geplant

Reimar Paul
Das niedersächsische Bad Nenndorf wird zu einem Wallfahrtsort der Naziszene. Seit 2006 veranstalten Rechtsradikale hier sogenannte »Trauermärsche« zum Wincklerbad, einem früheren Verhörzentrum der britischen Armee. Dabei konnten sie die Teilnehmerzahlen ständig steigern. Im vergangenen Jahr zogen mehr als 700 Neonazis aus dem In- und Ausland durch die Kurstadt. Für den 14. August ist der nächste rechte Gedenkmarsch angekündigt.

Aber auch der Widerstand gegen das braune Treiben wächst stetig. 2009 stellten sich bereits rund 1500 Bürger den Rechtsradikalen entgegen. Auch dieses Mal sind wieder Proteste geplant. Am 14. August und davor wollen Nazigegner Demonstrationen und Sitzblockaden veranstalten.

Im Verhörzentrum Wincklerbad, das von 1945 bis 1947 bestand, waren führende Nazis wie der SS-Obergruppenführer Oswald Pohl inhaftiert. Er leitete das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS, gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die Organisation des Holocaust sowie die wirtschaftliche Ausbeutung der KZ-Häftlinge und wurde wegen der Ermordung zehntausender Menschen bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg zum Tode verurteilt. Auch Kurt Parbel, der frühere Abteilungsleiter im Propagandaministerium, Zensor der Wochenschau, Filmer von Freislers Schauprozessen und Freund von Joseph Goebbels, soll in Bad Nenndorf verhört worden sein. Aber auch aufgrund vager Verdächtigungen landeten Menschen in dem Lager, ebenso vermeintliche sowjetische Spione. Es kam dort zu Misshandlungen und Folterungen, weshalb das Lager nach zwei Jahren von den Briten geschlossen wurde.

Ende 2005 berichtete die englische Zeitung »Guardian« erstmals über das »War Crime Headquarter Bad Nenndorf« der britischen Armee. Der Norddeutsche Rundfunk und das Lokalblatt »Schaumburger Zeitung« griffen die Geschichte auf. Dadurch erfuhr die örtliche Neonaziszene von dem Verhörzentrum. Die Rechten wollen das Wincklerbad zu einer überregionalen rechtsradikalen Pilgerstätte machen – als Ersatz für die seit 2005 verbotenen Aufmärsche für Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel. Bis zum Jahr 2030 haben Rechtsextremisten schon »Trauermärsche« in Bad Nenndorf  angemeldet.

Nach Überzeugung des Bündnisses »Bad Nenndorf ist bunt« geht es den Neonazis einmal mehr um eine Relativierung des Faschismus. Die von der britischen Besatzungsmacht selbst aufgedeckten und beendeten Misshandlungen der Gefangenen im Wincklerbad würden zur nachträglichen Rechtfertigung des Krieges benutzt.

Dem Bündnis gehören der DGB, Bürger- und Antifainitiativen, Vereine und Parteien an. Die Antifaschisten wollen bereits am Vortag des Naziaufmarsches mit der Aktion »Einstehen gegen Rechts« für Aufsehen sorgen. Am 14. August soll es dann eine Demonstration, ein Volksfest und Blockaden geben. Die Grüne Jugend veranstaltet bereits an diesem Samstag in Göttingen ein öffentliches Blockadetraining – es ist das erste dieser Art in der Universitätsstadt.

www.bad-nenndorf-ist-bunt.com[1]

Links:

  1. http://www.bad-nenndorf-ist-bunt.com