nd-aktuell.de / 29.07.2010 / Brandenburg / Seite 14

Gut Johannesberg wird Heim für Berliner Kinder

Durch die NPD in die Schlagzeilen gelangte Immobilie soll straffällige Heranwachsende sicher verwahren

Wilfried Neiße

Eine Art Durchbruch scheint erfolgt. Straffällig gewordene Kinder aus Berlin, die aufgrund ihres Alters nicht strafmündig sind, werden künftig in Brandenburg hinter geschlossenen Türen untergebracht.

Die Debatte über die Möglichkeit, Kinder einzusperren, ist so alt wie Brandenburg selbst. Nach der Wende wurde alles beseitigt, was an die Jugendwerkhöfe der DDR erinnerte. Allerdings gab es auch immer wieder Stimmen, die für eine sichere Verwahrung von Straftätern eintraten, selbst wenn sie jünger als 14 Jahre sind. Von diesem Alter an beginnt die erste Stufe der Strafmündigkeit.

Nun wird Berichten zufolge in Rauen bei Fürstenwalde das »sicherste Heim der Berliner Region« eingerichtet. Ein Entrinnen soll von dort nicht möglich sein. Offenbar handelt es sich dabei um das »Gut Johannesberg«, mithin um eine Immobilie, die vor zwei Jahren in den Schlagzeilen war, weil die rechtsextremistische NPD dort ein Schulungszentrum eingerichtet hatte. Im Mai dieses Jahres wurde sie rausgeklagt. Die neuen Eigentümer – darunter die einstige Ortsbürgermeisterin – hatten erklärt, auf dem Grundstück mit zehn Häusern aus Stein »soziale Projekte« ansiedeln zu wollen.

Damit ist nun möglicherweise das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) gemeint, das in Brandenburg schon einige Heime unterhält, unter anderem das im uckermärkischen Frostenwalde, wo straffällig gewordene Jugendliche auf ihren Prozess warten.

Dem Vernehmen nach soll die neue Einrichtung in Rauen acht Plätze für Berliner Kinder bereithalten, die sich aller Einflussnahme entziehen und für die ein Richter »freiheitsentziehende Maßnahmen« angeordnet hat. Hatte das Potsdamer Justizministerium vor Jahren die Möglichkeit erwogen, solche Kinder in geschlossene Heime anderer Bundesländer zu bringen, so ist Brandenburg damit nun selbst Schauplatz dieser Art Intensivpädagogik. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat angesichts nicht abnehmender Kriminalität in einigen Familien gefordert, strafunmündige Kinder diesem Einfluss zu entziehen. Brandenburg ist da offenbar geeignet.

Unterstützung fanden solche Pläne in der Vergangenheit durchaus auch bei Kinderschutzorganisationen. Vor zehn Jahren hatte der Verband »Anwalt des Kindes« für die Einrichtung geschlossener Heime votiert. Die zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit vorhandenen 137 Plätze würden nicht im Entferntesten ausreichen, hieß es. Allein in Brandenburg müssten es mindestens 150 sein. Eine solche Unterbringung diene dem Wohl des Kindes, wenn anders nicht sein Anspruch auf Ausbildung erfüllt werden könne. Mit guten Worten und Zureden allein würde man bei solchen Kindern meist nichts mehr ausrichten. Wenn Eltern versagen und die permanente Schulverweigerung das Abgleiten in die Kriminalität ankündigt, dann müssten solche Heime für Jugendliche den verlorenen festen Rahmen wieder schaffen.

Die hohe Rate der Kriminalität von Kindern in den ersten Nachwende-Jahren bereitete Erziehern, Lehrern aber auch Polizisten Sorgen. Während die Zahl der Straftaten im Land Brandenburg, die sich im Zuge der Wende sprunghaft erhöht hatte, schon in den 90er Jahren wieder im Sinken begriffen war, hatte sie sich zwischen 1993 und 1999 im Bereich der Kinderkriminalität sogar verdoppelt. 1993 registrierte die Polizei noch bei 3228 Straftaten Kinder als Tatverdächtige, 1999 war dies bei 7115 Straftaten der Fall.

Befürworter geschlossener Heime argumentieren, es gehe nicht darum, Kinder wegzuschließen, sondern sie in geschlossenen Abteilungen pädagogisch und psychologisch zu betreuen.