Der Drache von Furth erwacht

In Ostbayern tobt an diesem Wochenende der Kampf mit einem Ungeheuer. Das Biest hat seine Ticks

  • Ulf Vogler, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Er faucht und brüllt, aus den Nüstern schlagen Flammen. Der teure neue Further Roboter-Drache soll an diesem Samstag erstmals kämpfen. Die Hauptprobe zeigte allerdings: Das Ungeheuer ist noch schüchtern.

Furth im Wald. Das älteste Volksschauspiel Deutschlands ist im dritten Jahrtausend angekommen – mit einem Roboter-Drachen. Der neue Star des mittelalterlichen Fantasy-Spektakels »Der Drachenstich« im bayerischen Furth im Wald wird am Samstag seine Feuertaufe haben und erstmals vor Publikum zum Kampf Drache gegen Ritter in die Arena steigen. Schon die Hauptprobe wurde von einigen Hundert Schaulustigen verfolgt. Der Test zeigte: Der 2,3 Millionen Euro teure Roboter ist noch etwas bockig, bis zur Premiere bleibt viel zu tun.

Neun Jahre lang wurde bei einem Oberpfälzer Elektronikunternehmen unter höchster Geheimhaltung geplant und gebaut. Anfang Juli präsentierten die Schöpfer des Unternehmens aus Zandt dann den High-Tech-Drachen, der in den kommenden Jahrzehnten die Menschen in Angst und Schrecken versetzen soll. Das grüne Monster ist 16 Meter lang, fünf Meter hoch, zehn Tonnen schwer und kann ganz herrlich die Augen verdrehen. Es faucht und brüllt, speit Feuer und Rauch und nach zwei Stunden stirbt es – begleitet von einer Blut-Fontäne. Hollywood könnte es nicht besser!

Der alte Drache war seit 1974 im Dienst und zum Schluss nach mehreren Hundert Toden spürbar altersschwach. Immer wieder musste das Ungeheuer, ein umgebauter Gabelstapler, notoperiert werden, um die nächste Festspiel-Saison zu überstehen. Die vier Bediener des alten Drachens saßen in dem Ungeheuer, beim Nachfolger arbeiten sie von außen mit komplizierten Funk-Fernsteuerungen.

Erinnerung an Jan Hus

»Wir sind jetzt direkt unter dem Publikum, vorher waren wir etwas abgeschottet«, sagt Drachenexperte Thomas Rossmann. Der 34-Jährige ist für das Schreiten, das Gehen, die Rumpfbewegungen und teils auch die Schwanzbewegungen des Ungeheuers zuständig. Seine Kollegen steuern beispielsweise die Geräuscheffekte oder die Mimik des Hauptdarstellers. Mit den bisherigen Tests ist Rossmann zufrieden, auch wenn es noch manche Probleme gibt: »Das muss erst alles zur Gewohnheit werden, jeder Tag bringt etwas Neues.«

Der neue Drache hat auch einen Namen: »Tradinno«, eine Wortschöpfung aus Tradition und Innovation. Denn das sagenumwobene Schauspiel um das Töten des bösen Drachens wird in Furth schon seit etwa einem halben Jahrtausend gegeben. Es ist eine Mischung aus historisch belegten Fakten um den böhmischen Kirchen-Reformer Jan Hus am Anfang des 15. Jahrhunderts und der Legende um den 1000 Jahre vor den Toren Furths lebenden Drachen.

Dem Publikum wird ein actiongeladenes Spiel mit wilden Reiterszenen, Schwertkämpfen und natürlich einem Flammen spuckenden Untier geboten. Bisher war der Drache nur beim Finale dabei. Für den neuen wurde das Stück geändert, damit das Publikum das Fabelwesen schon nach wenigen Minuten zu sehen bekommt.

Doch bei der ersten Probe am Dienstagabend mag der Drache manchmal nicht so, wie er soll. Das Monstrum bleibt minutenlang stehen, die Systeme haben sich einfach abgeschaltet. Der Regisseur nimmt es mit Humor: »Der neue Kollege ist noch etwas schüchtern, er hat noch nie so viele Leute auf einmal gesehen.«

Längst ist der Drache der wichtigste Botschafter der 9000 Seelen großen Stadt an der Grenze zu Tschechien. Jedes Jahr kommen tausende Besucher zu den Festwochen im Sommer, in dieser Saison sind bis zum 15. August insgesamt elf Aufführungen geplant.

... und die Stadt ist befreit

Zum Finale des Schauspiels muss der Drache sterben. Er kommt letztmals durch das Stadttor, stellt bedrohlich seine Flügel mit zwölf Metern Spannweite auf und schlägt erst einmal eine ganze Armee in die Flucht. Dann reitet der Recke Udo, gespielt von Sebastian Dietl, an und schleudert seine Lanze zielsicher der Bestie ins Maul. Nach einem minutenlangen Todeskampf besteigt Udo den Drachen und rammt ihm das Schwert in den Kopf – Furth ist von allen bösen Mächten befreit.

Dietl ist ganz begeistert von seinem elektronischen Mitspieler. »Es ist ein schönes Gefühl«, sagt der 24 Jahre alte Drachentöter. »Es ist sehr aufregend, wenn man den neuen Drachen sticht.«

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