nd-aktuell.de / 31.07.2010 / Kultur / Seite 28

»Into The Green« würde Elfen gefallen

»Erdenstern«-Trio gibt Rollenspielen mit Klangbildern den perfekten Kick

René Gralla
Was Eva-Maria Irek und Andreas Petersen aus Hamburg komponieren, ist für eine ganz spezielle Klientel bestimmt: für Spieler. Und dabei wiederum für eine ganz eigene Spezies. Nicht Schach- oder Fußball-, nicht Poker- oder Golfspieler. Das Paar von der Elbe produziert vielmehr Instrumentaltitel für Rollenspieler.
Eva-Maria Irek, Andreas Petersen, Per Dittmann (v.r.)
Eva-Maria Irek, Andreas Petersen, Per Dittmann (v.r.)

Rollenspiele haben inzwischen eine sehr lebendige Szene, die sich hierzulande seit Anfang der 90er Jahre formiert hat: frei improvisierendes Erzählen und Spontantheater im Kreis von Gleichgesinnten zu einem bestimmten Thema. Vorgegeben werden die jeweiligen Ausgangslagen und tragenden Charaktere. Das können Ritter der Vergangenheit ebenso sein wie Sternenfahrer einer fernen Zukunft. Gemeinsam entwickeln die Teilnehmer verbal und darstellerisch am Tisch oder im Zimmer bzw. Freiraum daraus Geschichten. Das Kürzel LARP hat sich als Sammelbezeichnung dafür eingebürgert: Live Action Role Playing, was eben echtes, aktiven Rollenspiel meint.

Sieger gibt es dabei teilweise auch, doch primäres Ziel ist der Spaß, auf Zeit seine gewohnte Identität zu wechseln und in abenteuerliche Parallelwelten aufzubrechen. Dafür verkleiden sich einige Rollenspieler sogar, spielen – wenn es sich beispielsweise um Mittelalterfans handelt – auf Burgen oder in Klosterruinen. Die ganze Szene hat inzwischen alljährlich 500 bis 600 Termine bundesweit auf dem Kalender. Zu Großereignissen wie dem »Drachenfest« (an diesem Wochenende im hessischen Diemelstadt) pilgern oft mehrere tausend Liebhaber des Genres.

Das ursprüngliche, klassische Rollenspiel verzichtet dagegen auf Kostüme. Hier versammeln sich die Leute um einen Tisch und lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Geraten dann die fiktiven Helden oder Schurken während eines erdachten Dramas aneinander, wird nach ausgeklügelten Regeln ausgewürfelt, wer am Ende triumphiert. Die Ergebnisse samt Konsequenzen für das Drehbuch des Abends werden notiert. Säuberlich mit Stift auf Papier, daher der Begriff »Pen-&-Paper«-Rollenspiel.

Auf diese Weise haben auch Eva-Maria Irek und Andreas Petersen nach Büroschluss viele Stunden verbracht; hauptberuflich führen sie eine Werbeagentur. Und da die beiden mit Instrumenten aufgewachsen sind, begannen sie Begleitmusik für solche Kammer-Rollenspiele zu komponieren. Hinein ins Grüne, »Into The Green«, hieß die erste CD, die unter dem eigenen Label »Erdenstern« erscheint. Unterstützt vom Dritten im Bunde, Per Dittmann, sind es inzwischen schon sechs. Sie wecken Emotionen zu unterschiedlichen Szenarien. »Into The Green« würde auch Elfen und Zauberern gefallen, während »Into The Gold« die Sehnsucht nach dem Orient weckt.

Er möchte »für noch unerzählte Geschichten die perfekten Töne schaffen«, wünscht sich Andreas Petersen. Aber was sagt er Kritikern, die Rollenspielern vorwerfen, sie würden aus einer tristen Gegenwart ins verklärt Mystische fliehen? Verschärfe »Erdenstern« diesen Trend nicht noch, weil der Eskapismus obendrein noch gefällig klingt? Nein, sagt Petersen bestimmt. Rollenspiel rege Kreativität an und macht den Spielern vor allem Spaß.

Das Neueste bei »Erdenstern« ist übrigens eine Begleit-CD zum strategische Brettspiel »ShenShi«, bei dem Mönchsparteien um die Deutungshoheit im Kloster kämpfen. Ob der nächste logische Schritt vielleicht sogar eine tiefsinnige Mucke für Schach oder eine flott-fröhliche für »Mensch ärgere Dich nicht« ist, bleibt abzuwarten.

Weitere Infos: www.erdenstern.com;[1]

Spiel »ShenShi« von LudoArt für 2 bis 4 Personen ab 8 Jahren; Preis: ca. 65 Euro; »Drachenfest« für Rollenspieler in Diemelstadt/Hessen noch bis Sonntag (1.8.), weitere Infos: www.wyvern.de/adventures/drachenfest[2]

Links:

  1. http://www.erdenstern.com;
  2. http://www.wyvern.de/adventures/drachenfest