nd-aktuell.de / 31.07.2010 / Brandenburg / Seite 15

Zugänglich wie Fort Knox

Arbeitslose unzufrieden mit Arbeit der Jobcenter / Warnung vor unseriösen Beratern

Andreas Heinz
Beratungsgespräch mit Hartz-IV-Betroffenen ND-
Beratungsgespräch mit Hartz-IV-Betroffenen ND-

Die unzureichende bis mangelhafte Beratung von Erwerbslosen bei den Berliner Arbeitsagenturen lockt immer mehr unseriöse Berater vor die Jobcenter in den Bezirken. »Sie machen Geschäfte mit der Not der Menschen, die von ALG II leben müssen. Das wird ausgenutzt und muss bezahlt werden«, warnte der Leiter des Berliner Arbeitslosenzentrums (BALZ) in Wedding. BALZ selbst war sechs Wochen mit seinem Beratungsbus unterwegs, um kostenlos zu helfen. Gestern wurde eine erste Bilanz gezogen.

Jeweils zwei Tage stand der Bus vor den 16 Jobcentern, um Hilfesuchende, meist Hartz-IV-Betroffene, unkompliziert zu beraten. Bei den im Schnitt 32 Gesprächen pro Tag waren die meistgestellten Fragen: Wie reagiere ich, wenn Leistungen zurückgefordert werden? Was ist unter Mitwirkungspflicht zu verstehen und wie soll man sich bei Androhung von Sanktionen, wie Kürzung von Leistungen, verhalten?

Dabei machten Tourbegleiter wie Sozialberater Markus Wahle die Erfahrung: Schnell drohe das Jobcenter rigoros Kürzungen wegen angeblicher Meldeversäumnisse an. »Meist stellte sich jedoch heraus, dass das nicht zutraf, die Betroffenen die ›Einladung‹ des Jobcenters überhaupt nicht erhalten hatten.«

Auch ein »rabiater Umgang mit Fristsetzungen« wurde festgestellt. So seien Einkommensbescheinigungen bis Mitte des Monats angefordert worden, obwohl den Jobcentern bekannt sein dürfte, dass die in der Regel erst zu Ultimo ausgestellt werden. Auf Fristverlängerungsanträge werde von Amts wegen nicht reagiert. Obendrein werden nach Erkenntnissen des Arbeitslosenzentrums keine Posteingangsbücher geführt. »Wer etwas Wichtiges in den Hausbriefkasten wirft, könnte schlechte Karten haben«, sagte Wahle.

So fiel das Ergebnis über die Zufriedenheit mit der Jobcenter-Arbeit auch dementsprechend negativ aus. Studierende der Alice-Salomon-Hochschule in Hellersdorf begleiteten die Tour erstmals wissenschaftlich und interviewten insgesamt 560 Empfänger von Arbeitslosengeld II. Bis gestern waren 400 Fragebögen ausgewertet. Demnach sind mehr als 70 Prozent mit Auskunft und Beratung wenig oder gar nicht zufrieden. Völlig unzufrieden (81,7 Prozent) sind die Befragten der Untersuchung zufolge mit den Angeboten der Arbeitsvermittlung und der Erreichbarkeit der Leistungsabteilung (75,9 Prozent). »Die Leistungsabteilung kommt mir vor wie Fort Knox«, meinte einer der Interviewten.

»Die einzige Möglichkeit, wenigstens eine vage Auskunft zu bekommen, ist die Hotline«, so Hans-Joachim Fuchs, Sprecher der Fachgruppe Armut und soziale Sicherungssysteme der Landesarmutskonferenz Berlin. »Die Klienten haben aber keinen direkten Zugang zur Leistungsabteilung«, kritisierte Fuchs. Zudem sei die Hotline auch noch kostenpflichtig. Der Ruf nach unabhängiger Beratung werde lauter, der Mensch hinter der Akte müsse sichtbar werden, die Verantwortung für den einzelnen »Fall« deutlicher.

Oft seien die Mitarbeiter in den Jobcentern heillos überfordert, stellte Hans-Joachim Fuchs fest »Das Sozialgesetzbuch II, in dem das ALG II geregelt ist, wurde in den vergangenen fünf Jahren 50 Mal novelliert. Rund 200 Stellen wurden geändert. Da muss man erst mal auf dem Laufenden bleiben.«

www.beratung-kann-helfen.de[1]

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