nd-aktuell.de / 04.08.2010 / Politik

Vetorecht der Mütter gekippt

Karlsruher Richter stärken das Sorgerecht lediger Väter

Karlsruhe (AFP) - Das Bundesverfassungsgericht hat das Sorgerecht lediger Väter erheblich gestärkt. Regelungen, wonach Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten können, erklärte das Gericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss für verfassungswidrig. Frauen müssen nun ab sofort ihr Sorgerecht mit dem Vater teilen, wenn ein Gericht festgestellt hat, dass dies dem Kindeswohl entspricht. (AZ: 1 BvR 42/09)

Die Verfassungshüter setzten damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 um. Es hatte gerügt, dass das deutsche Kindschaftsrecht ledige Mütter gegenüber den Vätern bevorzuge. Dies sah Karlsruhe nun auch so und räumte dem Kindeswohl Vorrang vor dem "Eigeninteresse" der Mütter ein. Zur Begründung verwiesen die Richter auf "neuere Erkenntnisse", wonach eine beträchtliche Zahl von Müttern allein deshalb die Zustimmung zur gemeinsamen Sorge verweigerten, "weil sie ihr angestammtes Sorgerecht nicht mit dem Vater des Kindes teilen wollen". Dies ist nun künftig nicht mehr möglich.

Im aktuellen Fall hatte die Mutter eines 1998 nichtehelich geborenen Sohnes dem Vater die gemeinsame Sorge verweigert. Als die Frau wegziehen wollte, beantragte der Mann, der seine Vaterschaft anerkannt hatte, dass das Sorgerecht geteilt und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf ihn übertragen werden sollte. Das Familiengericht in Bad Oeynhausen lehnte dies jedoch ab, weil nach geltendem Recht die Übertragung des Sorgerechts grundsätzlich nur mit Zustimmung der Mutter möglich war.

Karlsruhe hob diesen Beschluss nun auf und erklärte die gesetzlichen Grundlagen zur elterlichen Sorge für verfassungswidrig. Bis zu einer - von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bereits angekündigten - Reform des Elternrechts können Familiengerichte nun einem Vater auf dessen Antrag hin ein Teil der elterlichen Sorge auch gegen den Willen der Mutter übertragen. Als Voraussetzung definierten die Verfassungshüter, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl dient und der Mann seine Vaterschaft anerkannt hat.

Vätern kann auf deren Antrag hin sogar die Alleinsorge übertragen werden, wenn dem Karlsruher Beschluss zufolge "gewichtige Kindeswohlgründe" dafür sprechen, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen. Zuvor müssen Familiengerichte allerdings prüfen, ob es keine andere Möglichkeit gibt, "die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreift".

Das Bundesjustizministerium lässt derzeit mit Blick auf das Straßburger Urteil Eckpunkte für eine Neuregelung des Sorgerechts prüfen. Ein vom Ministerium erörterter Vorschlag, wonach beide Eltern grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht erhalten, sofern die Mutter dem nicht widerspricht, würde nach den Vorgaben aus Karlsruhe aber nicht ausreichen. Der FDP-Familienexperte Stephan Thomae schlug dagegen vor, dass es das gemeinsame Sorgerecht nur dann nicht geben soll, wenn die Mutter dagegen Widerspruch einlegt und vom Familiengericht Recht bekommt.