Ohne Wohnung ist der Sommer hart

Ein Bus sucht auch in der warmen Jahreszeit Kontakt zu den Wohnungslosen

Die Senatorin mit dem Team um Artur Darga
Die Senatorin mit dem Team um Artur Darga

Im Winter wächst die Sorge um die Wohnungslosen. Dann gibt es überall in der Stadt provisorische Schlafplätze. Aber auch in der warmen Jahreszeit ist ein Leben auf der Straße kein Zuckerschlecken. Wer obdachlos ist, muss ebenso durch den Sommer kommen.

Das wusste auch Berlins frühere Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (LINKE). Als sie vor anderthalb Jahren den Kältebus besuchte, der im Winter die Obdachlosen in eine Notübernachtung bringt, fand sie, dass es einen solchen Bus ganzjährig geben müsste. Knake-Werner hat sich mittlerweile aus der Politik zurückgezogen, aber an der Umsetzung ihres Vorschlags wurde gearbeitet. Seit April gibt es nun eine mobile Sommerhilfe, und ihre Nachfolgerin Carola Bluhm (LINKE) besuchte am Montagabend dieses Hilfsangebot der Stadtmission. Sie begleitete den Fahrer Artur Darga auf seiner Tour durch die Stadt.

Diese niedrigschwellige Sozialarbeit, die 27 000 Euro kostet und durch Spenden finanziert wird, ist für jene wichtig, die von sich aus keine Hilfe suchen. Abend für Abend ist der 47-jährige Darga mit einem blauen Kastenwagen unterwegs. Er hält Ausschau nach jenen, die draußen umherziehen und »Platte machen«, wie es im Jargon heißt – die sich also eine ruhige Ecke zum Schlafen suchen. Dargas Hündin Tikwa ist immer dabei. Manches Mal sei das Tier schon hilfreich gewesen, um Vertrauen zu Einzelgängern aufzubauen, erzählt er.

Zwischen zehn und 20 Wohnungslose treffen Darga und seine beiden ehrenamtlichen Helfer Alexander Vogt und Jana Grösche an einem Abend. Der Erfolg dieser Arbeit lasse sich nicht darin bemessen, wie viele Bedürftige sie auflesen, findet Dieter Puhl, der die Bahnhofsmission am Zoo leitet und im engen Kontakt zur mobilen Sommerhilfe steht. »Wenn unsere Helfer einem vereinsamten Mann ein Stück Torte zum Geburtstag vorbeibringen, dann gehört das auch zu ihrer Arbeit.« Wer ganz unten sei, der drohe sich selbst aufzugeben. Dem möchte die mobile Sommerhilfe entgegenwirken.

Mehrmals in der Woche bringt Darga Wohnungslose zur Notübernachtung in der Franklinstraße. Dort bekommen sie ein Bett für die Nacht und am Morgen ein Frühstück. »Das Leben draußen macht mürbe«, stellt Jürgen Mark, der Leiter der Notübernachtung, immer wieder fest. Die meisten seiner Besucher seien krank. »Gerade im Sommer haben viele Herz- und Kreislaufbeschwerden.« Über die Notübernachtung bekommen die Obdachlosen Zugang zur ärztlichen Versorgung.

Manchmal nehmen die Bedürftigen auch weiterführende Hilfe an und erhalten einen Platz für betreutes Einzelwohnen. Das kann ein Ausweg aus dem Elend sein. Allerdings sei das ein großer Einschnitt in ihr Leben, merkt Puhl an. Denn über Nacht geben sie ihr Leben in völliger Freiheit auf und bekommen einen Sozialarbeiter zur Seite gestellt. Die mobile Sommerhilfe stellt dafür einen Anfangskontakt her.

Mit der Erweiterung der EU sind seit einigen Jahren viele Osteuropäer in Berlin gestrandet. Karen Holzinger, die bei der Stadtmission die Kältehilfe koordiniert, schätzt ihren Anteil unter den Obdachlosen auf annähernd 40 Prozent. Darga kam selbst vor über 20 Jahren aus Polen nach Deutschland. In Gesprächen mit Osteuropäern hat er erfahren, dass viele von ihnen Angst hätten, zurückzugehen. »Sie schämen sich.«

Die Sozialsenatorin Carola Bluhm hörte aufmerksam zu. Sie habe selbst viele Fragen und wisse nicht immer, welche Hilfe die richtige sei. Um das herauszubekommen, sucht sie den Kontakt zu den Einrichtungen – und zu den Obdachlosen.

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