Richtige Plattform für schwere Jungs und Mädchen

Karsten Grap: »Marathon? Nein, Danke! – Sumo ist einfach ein geiler Sport«

  • Lesedauer: 3 Min.
Das ist ein Sport, der endlich mal den Schlankheitswahn fröhlich ignoriert: Sumo, das lustige Ringen der großen dicken Menschen. Einige Quellen datieren das erste Duell zwischen einem gewissen Nomi-no-Sukune und dessen Gegner Taima-no-Kuehaya exakt auf das Jahr 23 vor unserer Zeitrechnung. Die Traditionssportart aus dem Kaiserreich unter dem Sonnenbanner findet auch hierzulande seit Anfang der 90er ihre Anhänger. Wobei sich die nichtjapanischen Sumotori aktuell sogar unversehens in der Rolle von Imagerettern sehen: Während Sumo im Herkunftsland von einer schweren Krise erschüttert wird, die Mafia soll dort nämlich kräftig mitmischen, ist außerhalb Asiens noch der Geist des alten Sumo lebendig. KARSTEN GRAP (42), Betriebswirt aus Michendorf, langjähriger ehemaliger Vorsitzender des deutschen Sumoverbandes, verweist im ND-Gespräch auf ein besonderes Plus des Imports aus dem Fernen Osten: Sumo kann Menschen mit Gewichtsproblemen wieder an Sport heranführen.

ND: Skandale ohne Ende um Sumo in Japan. Wegen des zunehmenden Einflusses der Yakuza hat jüngst der staatliche Fernsehsender NHK auf die Übertragung eines der fünf wichtigsten Turniere verzichtet. Im Gegensatz dazu dürfen wir doch wohl hoffen, dass Deutschlands Sumo sauber ist ?
Grap: Davon können Sie ausgehen, schließlich sind wir lupenreine Amateure!

Ist Deutschland – ausgerechnet! – nun womöglich ein Vorbild für Japan?!
Na ja, wenn ich ehrlich bin, muss ich jetzt allerdings zugeben: Inzwischen rettet der einstige Ostblock das Sumo. Bis Ende der 90er Jahre waren wir tatsächlich noch weltweit führend im Amateursumo. Ohne Geld können Sie aber auch außerhalb des Profisports wenig bewegen, denken Sie allein an die Fahrtkosten bei auswärtigen Wettkämpfen. Nun ist es eben sehr schwierig, in Deutschland an Fördermittel ranzukommen. Klar, wir machen viel mit Herzblut, aber irgendwann stoßen wir an Grenzen. Mittlerweile sind die Russen Nr. 1, aber wahnsinnig stark sind auch Bulgaren und Polen.

Dass öffentliche Gelder spärlich fließen, liegt vielleicht daran, dass man richtig fett sein muss, um Sumo zu betreiben. Das ist ja offenkundig nicht gesund, warum also sollte der Staat das unterstützen?
Dass man für Sumo fett sein muss, kann man so nicht sagen. Im Amateurbereich gibt es verschiedene Gewichtsklassen, bei Männern hat die unterste Kategorie die Obergrenze 85 Kilogramm. Das sind oft austrainierte Jungs, die sich vor Bodybuildern nicht verstecken müssen.

Könnte Sumo ein Einsteigersport sein für Dicke, die bei Japans Kampfkunst den Spaß an körperlicher Bewegung wiederentdecken – so sie nicht Angst vor ein paar blauen Flecken haben?
Sumo bietet auf jeden Fall eine Plattform, die übergewichtige Jugendliche nutzen können.

Auch Frauen sind in der Sumoszene aktiv. Vorkämpferin ist Sandra Köppen aus Potsdam, Ex-Europameisterin im Judo und Ex-Weltmeisterin im Sumo, die sogar weit über Deutschland und Japan hinaus bekannt geworden ist. Aber war Sumo nicht ursprünglich ein reiner Männersport?
Das ist die Tradition, aber das hat sich geändert. Die Japaner verfolgen das Ziel, Sumo olympisch zu machen, und deswegen haben sie den Sport für beide Geschlechter geöffnet.

Herr Grap, verraten Sie uns Ihr Gewicht, und wie groß sind Sie dabei?
Ich bin 1,93 Meter groß und wiege 175 Kilogramm.

Und? Fühlen Sie sich fit?
Kleine Probleme bleiben natürlich nicht aus. Bestreite ich an einem Wochenende mehrere Kämpfe, wird mir körperlich einiges abverlangt. Anschließend können zwei Tage lang die Gelenke schmerzen.

Hand aufs Herz: Sind das nicht die Momente, in denen Sie manchmal denken: Das reicht mir? Ich specke radikal ab und laufe künftig Marathon?
Nein. Sumo ist einfach ein geiler Sport und ein schneller Sport. Den, anders als Judo oder Ringen, auch der Laie versteht: Wird ein Sumotori durch Schieben, Schleudern, Werfen oder Schlagen aus dem Kampfring gedrängt, hat er verloren, Ende, Aus. Da brauchen Sie keine vertieften Regelkenntnisse.

Gespräch: René Gralla

Infos: www.sumo-verband.de; www.sumo-berlin.de; www.sumoevent-xxl.de

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal