nd-aktuell.de / 14.08.2010 / Kultur / Seite 11

»Wo seid ihr hin?«

Wolfgang Eckert:

Martin Weskott

Es sind Marksteine im Leben des 75-jährigen Autors, der unter anderem durch seinen Roman »Das Familienfoto« bekannt geworden ist: Mit dem Leser schreitet Wolfgang Eckert den Kosmos der Stadt Meerane ab, wo er aufwuchs und lebt. Wahrscheinlich neigt man ja in einem bestimmten Alter aus Angst vor der Frage, wohin man in nicht allzu ferner Zeit geht, zu der Frage, woher man kam. Man geht in sich. So tut es der Meeraner, der Handwerker, der Schriftsteller und Zeitgefährte Wolfgang Eckert. Doch seine Aufzeichnungen bleiben nicht provinziell, sie durchqueren manchmal atemberaubend alle Zeiten bis in die Gegenwart.

Eckert ist ein sensibler Beobachter und Chronist. Das merkt man an seinen Erinnerungen an die Zeit des Faschismus , an die Exempel, die zur »Erhöhung der Endsieghoffnungen« statuiert wurden. Es wird immer so bleiben, dass Menschen im verkehrten Moment zur verkehrten Veranstaltung gehen. Gingen sie nicht hin, wenn die falschen Götzen ihnen eine Schau bieten, gäbe es zumindest erst einmal kein Echo. Das Beispiel seiner Mutter – »Du Rotzkerl, lass den Jungen in Ruhe« – zeigt, dass es auch anders ging. Eckert beweist seine Sensibilität, wenn er den Jungen erwähnt, der später wegen einer Kritzelei – »Wenn bei Moskau die rote Sonne im Meer versinkt« – für Jahre inhaftiert wird. Skurrile Geschichten werden erzählt: etwa wie russischer Wirtschaftsoffizier einen Feuerwehralarm auszulösen versuchte oder wie ein Kommandant einem Fabrikanten zur Flucht nach Oelsnitz und in einem Güterwagen über die Grenze verhalf. Wie es trotz aller Konfrontation »menschelte« im besten Sinne sieht man daran.

Da erfährt man, wie der Gott der kleinen Diebe die Familie nicht im Stich ließ, wie Rüben und Kohlen beschafft, aller Not zum Trotz ein Christstollen gebacken wurde und wie sich später alte Freundschaften wiederbelebten. Augenzwickernd erzählt Wolfgang Eckert von der Kultur der Deutschen Eiche, der ersten Freundin, seiner zivile Karriere, dem Gespräch mit einem Hauptmann – wenn der Mensch in Zwänge gerät, scheint er gierig frei zu werden – dem Freund Hans im Pflegeheim mit dem Leuchten, vom Fußball, der Lehrzeit als Weber ...

»Nichts ist haltbar. Zeit verändert. Die Menschen, denen ich in meinem Leben begegnete, haben zu dieser Veränderung beigetragen - im Guten wie im Bösen. Nur das prägt. Aber nur die mir Gutes taten, sind in meiner Erinnerung geblieben. Manchmal frage ich schon: Wo seid ihr hin? Damals jedoch war ich als Spaßmacher noch wie ein Kind, wenn man Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit, naives Vertrauen und eine heitere Zukunftsträumerei ins Kindhafte verweisen will.«

Ein Buch, das man erst wieder aus der Hand legt, wenn man alle Facetten der Kindheit und Erinnerung lesend aufgenommen hat.

Wolfgang Eckert: Das ferne Leuchten der Kindheit. Mironde Verlag. 163 S., brosch., 9,95 €.