Was die SPD lernen muss

GastkolumneVon Georg Fülberth

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Politikwissenschaftler und Historiker, Jahrgang 1939, lebt in Marburg. ND-
Der Politikwissenschaftler und Historiker, Jahrgang 1939, lebt in Marburg. ND-

Schwarz-Gelb ist im Niedergang, und die Opposition kann vor Kraft kaum gehen. Aktuellen Umfragen zufolge könnten SPD und Grüne jetzt eine Bundesregierung ohne die LINKE bilden. Bis zur nächsten Wahl sind es aber noch mehr als drei Jahre hin. FDP und Union würden einer vorzeitigen Auflösung des Bundestages nicht zustimmen – wiederum aufgrund der Umfragewerte. Allerdings kann es in der Politik jähe Umbrüche geben, und die Oppositionsparteien tun gut daran, sich neu zu sortieren.

Sigmar Gabriel hat die Grünen aufgefordert, sich vorab auf eine Koalition mit seiner Partei festzulegen. Das war wie ein Kommando intoniert, klingt aber, wenn man genau hinhört, wie Pfeifen im Wald. Die Grünen nehmen stärker zu als die SPD, und Gabriel zeigt sich beunruhigt über die – zwischendurch allerdings wieder etwas verblassende – Aussicht, sie könnten es 2013 im Bund wie in Hamburg und an der Saar mit der CDU versuchen. Dass Trittin bremst, liegt im Interesse seiner Organisation, denn ein solches Beidrehen braucht Zeit. Eine Koalition mit der Union – irgendwann – wäre für manche Partei-Granden aber das Zeichen dafür, dass die Grünen endgültig erwachsen sind.

Das ist schon fast eine Banalität. Basisdemokratisch, ökologisch, sozial, gewaltfrei: drei dieser vier Gründungsmaximen haben die Grünen mittlerweile aufgegeben. Von Verrat sollte man aber nicht reden. Ihrer Basis (und damit sich selbst) sind sie nämlich immer treu geblieben – der seit den 60er Jahren immer stärker werdenden Massenschicht der neuen mittelständischen Intelligenz. In einigen Städten, die dadurch besonders geprägt sind – Freiburg und Tübingen –, stellen sie den Oberbürgermeister, in der Bankenmetropole Frankfurt am Main koalieren sie mit der CDU, in Berlin konkurrieren sie mit der SPD um Platz eins.

Diese hat also gegenwärtig fast ebenso viel Grund zur Sorge wie zum Triumph. Während die Grünen ihre Basis zusammenhalten und verbreitern konnten, haben Schröder und Steinmeier – und Gabriel hat damals nicht opponiert – das sozialdemokratische Potenzial gespalten. Dies ist bis heute nicht mehr rückgängig gemacht worden. Ebenso beunruhigend wie der Aufwuchs der Grünen muss für die SPD die Tatsache sein, dass (noch einmal: den Umfragen zufolge), die LINKE nicht schwächer wurde, obwohl der unmittelbare Anlass ihres Zulaufs im Westen – Schröders Regierungskunst – entfallen ist. Dafür dürfte es zwei Gründe geben. Erstens: Mag die SPD auch jetzt allmählich an der Rente mit 67 zweifeln und eine Höherbesteuerung der Reichen verlangen – das Publikum weiß: Dies sind jetzt Oppositionsforderungen einer Partei, die in Regierungszeiten – teilweise mit demselben Personal – ganz anders handelte. Zweitens, und das ist noch wichtiger: Die relative Homogenität der Unterklassen, die sich jahrzehntelang durch die SPD (und teilweise sogar durch die CDU) vertreten sahen, ist dahin. Das sozialdemokratische Potenzial ist jetzt so heterogen, dass es von der SPD nicht mehr vollständig gesammelt werden kann.

Eine schnelle Neuauflage von Rot-Grün brächte dasselbe Desaster wie 1998 bis 2005. Vorher muss die SPD sich wieder ehrlich machen und lernen, dass sie auch nach links hin nicht mehr allein auf der Welt ist.

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