nd-aktuell.de / 20.08.2010 / Brandenburg / Seite 4

Unermüdlich

Hans-Jürgen Scharfenberg / Der 56-Jährige will Potsdams Oberbürgermeister werden

Andreas Fritsche
Personalie: Unermüdlich

Bei der Potsdamer Oberbürgermeisterwahl vor acht Jahren fehlten Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) bloß 122 Stimmen zum Sieg gegen Jann Jakobs (SPD). Jakobs wurde Oberbürgermeister und möchte es bei der bevorstehenden Abstimmung am 19. September bleiben. Der Landtagsabgeordnete Scharfenberg, der auch die Linksfraktion im Stadtparlament führt, kandidiert erneut. Die anderen Bewerber, darunter Ex-Justizministerin Barbara Richstein (CDU), spielen in diesem Duell voraussichtlich nur Nebenrollen.

Erwartungsgemäß gibt es Diskussionen um eine frühere Stasi-Tätigkeit Scharfenbergs. Den heute 56-Jährigen warb das Ministerium für Staatssicherheit während seines Studiums an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) an. 1978 unterschrieb er die Verpflichtungserklärung, berichtete fortan bis 1985 über Kollegen und Nachbarn. Das MfS rügte allerdings seine »oberflächlichen« Informationen und Einschätzungen. Als Spitzel eignete sich der gebürtige Annaberger offensichtlich nicht.

Diese Vorgänge sind seit 1995 bekannt. Im Wissen darum machten die Potsdamer immer wieder ihr Kreuz bei Scharfenberg. Er gewann Wahlkreise bei Kommunal- und Landtagswahlen. Sein Geheimnis ist der unermüdliche Einsatz vor allem für jene Einwohner, die nicht zu den Reichen und Prominenten gehören, die in den vergangenen Jahren in die Stadt der preußischen Schlösser und Gärten gezogen sind. Der listige Scharfenberg gilt als Interessenvertreter der Menschen in den DDR-Neubaugebieten.

Mit dem MfS arbeitete Scharfenberg nach eigenem Bekunden aus politischer Überzeugung und Pflichtbewusstsein zusammen. Er glaubt und hofft, niemandem geschadet zu haben. Nach der Wende erkannte er den »Ausbau eines inneren Überwachungsapparats« als eine der Ursachen für Fehlentwicklungen in der DDR. Die IM-Tätigkeit sieht er heute als seinen größten Fehler an, den er allerdings nicht mehr rückgängig machen könne. Er frage sich aber, sagt Scharfenberg, ob es derzeit wirklich um eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit gehe oder »schlicht und einfach darum«, die LINKE in Wahlkämpfen zu schwächen.