nd-aktuell.de / 28.08.2010 / Kultur / Seite 4

Zweite Ehrung

Jean-Luc Godard / Der Filmregisseur erhält den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk

Caroline M. Buck

Vor 50 Jahren verhalf Jean-Luc Godard mit seinem Debüt »Außer Atem« Jean-Paul Belmondo zu Starruhm, einer Generation zu einer Stilikone und den Filmrebellen der Nouvelle Vague zu einem Aushängeschild. Später schickte er Eddy Constantine in den Widerstand gegen den Überwachungsstaat (»Alphaville«, 1965), Isabelle Huppert in den Arbeitskampf (»Passion«, 1982) und Michel Piccoli auf das emotionale Schlachtfeld eines Filmsets (»Die Verachtung«). Er gründete eine antiimperialistische Filmfirma, mixte Brecht mit Film Noir und schrieb Rollen, in denen Männer Kleinkriminelle und Opportunisten sind, aber die Namen von Dichtern tragen, und Frauen sich als Prostituierte versuchen.

Godard, der Großbürgersohn mit Revoluzzer-Ader, der Franzose mit Schweizer Pass, der als Regisseur bewusst alle Regeln verletzte, die kontinuierliche Erzählhandlung aushebelte und Filmfiguren schon mal die Texte großer Autoren in den Mund legte (»Nouvelle Vague«, 1990), dreht eigentlich nicht das, was gemeinhin mit einem Oscar ausgezeichnet wird. Weshalb die Academy of Motion Picture Arts and Sciences denn auch zuerst die schiere Dauer von Godards Karriere und dann erst seine Filme würdigte, die immer eine Herausforderung, oft eine Kontroverse und jedenfalls frischen Wind für die Filmgeschichte bedeuteten.

Dass Godard ein Meister der Kontroverse ist, wird niemand bestreiten. Eine Waffe und ein Mädchen, das reiche für einen Film, wird er zitiert, und dass der einen Anfang, eine Mitte und ein Ende brauche, aber nicht in dieser Reihenfolge. Gleich sein zweiter, »Le petit soldat«, wurde wegen seiner Haltung zum Algerienkrieg verboten, und für seine moderne Version der Jungfrauengeburt (»Maria und Joseph«, 1983) wurde Godard von Kirchenkreisen teils gelobt, teils geschlagen. Seine Anhänger bringen ihm religiöse Ehrerbietung entgegen; Godard macht sich über seine Exegeten schon mal lustig. Und er ist Raucher und deshalb kein Freund langer Flüge. Ob er den Ehren-Oscar am 13. November, zwei Wochen vor seinem 80. Geburtstag, persönlich abholt, ist nicht nur deshalb fraglich. Die Academy ist vorgewarnt: Den Preis der Europäischen Filmakademie nahm er auch nicht selbst entgegen.