Freispruch für »Abwasserrebellen«

Amtsgericht Fürstenwalde sah den Vorwurf des Widerstandes nicht gegeben

  • Sybille Gurack
  • Lesedauer: 2 Min.

»Eine 1A-Freisprechung« gab es gestern für das Ehepaar Barbara und Thomas Plenzke im Amtsgericht Fürstenwalde. Bereits im März des Jahres standen die »Abwasserrebellen« vor dem Strafgericht (ND berichtete). Damals wurde die Verhandlung abgebrochen.

Dem Paar wurde angelastet, am 27. Mai 2008 auf seinem Grundstück in Rauen einer Vollstreckungsbeauftragten des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland bei der Vornahme einer Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet zu haben. Seit mehr als zehn Jahren führte die Rauener Familie einen erbitterten Kampf gegen den Zweckverband um einen Zwangsanschluss an die Kanalisation.

Das Paar hatte stets angeführt, einen vorhandenen Kanalanschluss des Verbandes nicht zu nutzen, weil es über eine eigene Nutzwasser-Rückgewinnungsanlage verfüge. Zum Erstaunen der Plenzkes gab es diesmal den Vorwurf gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung allerdings nicht mehr. Die Vollstreckungsbeamtin, die den Vorwurf damals erbrachte, war gestern wegen Urlaub der Verhandlung fern geblieben.

Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt mit Sympathisanten der Rebellen. Barbara Plenzke erläuterte und belegte den sich seit über zehn Jahren verhärtenden Streit zwischen dem Zweckverband, der auf Zwangsanschluss besteht, und der Familie, die seit Ende der 80er Jahre eine genehmigte Abwasseranlage betreibt. Ihre Anlage macht die Mehrfachnutzung des Abwassers möglich und genügt außerdem höheren Umweltansprüchen als die Anlage des Zweckverbandes. Gewalt gegen die Vollstreckungsbeauftragte habe es nicht gegeben, versicherte Frau Plenzke. Auch ihr Ehemann bestätigte dies.

Letztlich überzeugte vor allem die Aussage des damaligen Rechtsanwalts der Familie Steffan Sarrach Oberstaatsanwalt Sörries. Sarrach zufolge habe es einen Monat vor dem Vollstreckungstermin eine Mediation bei der Polizei gegeben. Hierbei hätten sich der Zweckverband und Familie Plenzke auf Verhandlungen eingelassen und beidseitig Zugeständnisse auf sich genommen, die die Vollstreckung aufhoben. Bis dahin hätte der Zweckverband »verhandeln oder vollstrecken« können, so der Oberstaatsanwalt. Das Rauener Ehepaar habe ihrem Rechtsanwalt vertraut. Es war überzeugt, dass die neuerlich und vor allem kurzfristig angesetzte Vollstreckung rechtswidrig sei.

Sörries sprach von einer »komplizierten Irrtumsproblematik, die strafrechtlich gesehen zur höheren Mathematik« gehöre.

Ob das Ehepaar nun auf den Verwaltungskosten sitzen bleiben wird, konnte nicht geklärt werden. Für Einsätze dieser Art haben Plenzkes insgesamt einen Kostenfestsetzungsbeschluss in Höhe von rund 26 288 Euro am Hals.

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