nd-aktuell.de / 09.09.2010 / Kommentare / Seite 4

Märchentante

Silvia Ottow

Wenn einer Untersuchung zufolge zwei Drittel der Pflegebedürftigen hier zu Lande zu Hause gepflegt werden, dann verbirgt sich dahinter eine ganze Reihe von Fakten und Problemen. Angehörige nehmen oftmals Anstrengungen und Entbehrungen auf sich, die sie selbst krank machen. Viele Familien können sich eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen durch ausgebildete Kräfte in der eigenen Wohnung inzwischen gar nicht mehr leisten. Die Betroffenen einem Heim anzuvertrauen, in dem schlecht ausgebildete Angestellte und überlastete Fachkräfte von Etage zu Etage hasten, ist eine unbeliebte Alternative. Seit Jahren versuchen Angehörigeninitiativen und Pflegeexperten, die Bundesregierung dafür zu sensibilisieren, die Bedingungen für eine Betreuung in den eigenen vier Wänden zu verbessern, seit Jahren werden Familien dabei allein gelassen.

Der Zusammenhalt zwischen den Generationen sei so groß wie nie zuvor, schlussfolgert hingegen die christdemokratische Bundesfamilienministerin Kristina Schröder aus diesen Zahlen. Liebe Ministerin, auch wenn es bei einer Sonnenfinsternis so aussieht, als sei unsere viel besungene Wärmespenderein verschwunden – sie ist noch da! Genau wie die Probleme der pflegenden Angehörigen. Und es wäre nur fair, diese hoch motivierten Menschen nicht mit naiven Bemerkungen auf Märchentanten-Niveau zu beleidigen, wo ernsthafte Hilfe gefordert ist.