Gift fürs Bürgertum

Claude Chabrol tot

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 2 Min.

Zwei Wünsche Claude Chabrols sind es, die nun nicht erfüllt werden: zum einen, dass er einen Film drehen kann über den Skandal um die L'Oreal-Erbin Liliane Bettencourt, eine politische Reality-Show, mit Mitwirkenden bis in höchste Machtetagen der französischen Republik. Zum anderen, dass er in den Mutterschoß zurückkehrt, wie er einmal, nach seiner Liebe zu den Frauen, dem »süßen Gift«, befragt, denen er in seinen Filmen die starken Charaktere gab, wohl ein bisschen augenzwinkernd bemerkte. Der Regisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent und Schauspieler (Foto: AFP, Frank Perry) ist am Sonntag im Alter von 80 Jahren gestorben.

Filmlegende nannte man den Meister des Weltkinos, der fast jedes Jahr ein, zwei, drei Kinofilme schuf. Über 60 sind es geworden, Kurz- und Fernsehfilme nicht gerechnet. Er sei faul, umschrieb der leidenschaftliche Filmemacher kokett, dass er die Schauspieler zu Höchstleistungen brachte. Gleich für sein zweites Werk, »Schrei, wenn du kannst« (»Les Cousins«), wurde Chabrol 1959 in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Es war der erste große Kinoerfolg der Nouvelle Vague, der Bewegung gegen das etablierte, angepasste Kino, die er als Kritiker der »Cahiers du Cinema« mitbegründet hatte und zu der Kinomagier wie Eric Rohmer, François Truffaut, Jean-Luc Godard gehörten. Der »Autorenfilm« war geboren und prägte fortan die Filmlandschaft.

Der am 24. Juni 1930 zur Welt gekommene Sohn eines Pariser Apothekers war ein Geschichtenerzähler, der die Lügen, die Verderbtheit der Bourgeoisie entlarvte – und den verbrecherischen Reichen empfahl, Marx zu lesen –, der menschliche Abgründe auslotete, ob in Krimi, Psychodrama oder Komödie. Einer der vielen Preise für den Mann, zu dessen Unmöglichkeiten zählte, einen schlechten Film zu drehen, je älter er wurde – wie Isabelle Huppert, die bei Chabrol zum großen europäischen Star wurde, bemerkte –, war der Europäische Filmpreis 2003 für sein Lebenswerk. Im vergangenen Jahr ehrte ihn die Berlinale und einer seiner letzten Filme, »Kommissar Bellamy«, mit Gérard Depardieu, kam in die Kinos. Sein Humor, seine wundervoll irritierenden Auftritte werden hierzulande lange unvergesslich bleiben.

Der belesene, an Murnau, Fritz Lang wie an Hitchcock geschulte Regisseur hinterlässt ein Werk voller Klassiker wie »Die Phantome des Hutmachers«, »Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen«, »Stille Tage in Clichy«, »Die Biester«, »Die Farbe der Lüge«.

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