nd-aktuell.de / 14.09.2010 / Gesund leben / Seite 17

Neue Wege zur Heilung von Knochen und Knorpel

Experten plädieren für die Reparatur der Gelenke anstelle eines künstlichen Ersatzes

Mehr als die Hälfte aller 65-Jährigen leidet an einer Arthrose. Bei den Betroffenen baut sich nach und nach der Gelenkknorpel ab. Forscher wollen diesen Prozess stoppen und den Einsatz künstlicher Gelenke verringern.

Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass es sich bei Arthrose nicht nur um altersbedingte Abnutzungserscheinungen handelt. Der Krankheit liegen vielmehr Stoffwechselvorgänge zugrunde, die auch bei der Knochenbildung des Embryos vorkommen.

»Bei der Arthrose werden Reaktionsmuster und Signalwege aktiviert, wie sie normalerweise vor der Geburt auftreten – nämlich dann, wenn sich im Embryo die Knochen ausbilden«, erklärt Professor Dr. med. Thomas Pap, Direktor des Instituts für Experimentelle Muskuloskelettale Medizin an der Universität Münster. Auch in dieser Phase werde Knorpelgewebe abgebaut. Die Zellen verändern sich und es bilden sich schließlich neue Knochen. Während im Mutterleib jedoch intakte Knochen angelegt werden, zerstört die Arthrose das Gelenk.

Pap fordert, die Forschung in diesem Bereich zu verstärken. Ziel sei es, in die krankhafte Knorpelreaktion einzugreifen und sie zu stoppen. Wie bei anderen Volkskrankheiten sollten dabei Forscher verschiedener Fachbereiche zusammenarbeiten. »Gemeinsam könnten Rheumatologen, Orthopäden und Naturwissenschaftler neue Wege finden, das natürliche Gelenk zu reparieren, statt es lediglich durch ein künstliches zu ersetzen«, so Pap. Wie sich der Krankheitsprozess möglicherweise »umdrehen« ließe, hat er zusammen mit anderen Forschern im vergangenen Jahr an Mäusen gezeigt. Bei den Tieren kommt es durch die Gelenkschädigung zur Freisetzung des Moleküls Syndecan-4. Dieses aktiviert wiederum das Enzym ADAMTS-5, das den Knorpel weiter zerstört. Die Forscher injizierten den Mäusen regelmäßig einen Antikörper gegen das Syndecan-Molekül. Antikörper sind Eiweiße, die gezielt Oberflächenmerkmale von Zellen erkennen, sich an diese binden und sie unschädlich machen. Auf diese Weise konnten die Forscher den Knorpelabbau aktiv stoppen. Die Tiere entwickelten keine Arthrose

Unter dem Begriff Rheuma fassen Experten mehr als 100 verschiedene entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparates zusammen. Auch die verschleißbedingten Krankheiten wie Arthrose zählen zum sogenannten rheumatischen Formenkreis. Menschen jedes Alters sind von diesen oft schweren, schmerzhaften Erkrankungen betroffen: Etwa 1,5 Millionen Deutsche leiden allein an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung. Durchschnittlich dauert es 13 Monate, bis Betroffene mit einer rheumatoiden Arthritis zu einem Rheumatologen gelangen und dort Hilfe finden. ND

Die Entstehungsmechanismen der Arthrose sowie die Verbesserung der Therapien gegen diese Krankheit sind Thema auf dem 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie vom 15. bis zum 18. September 2010 in Hamburg.