nd-aktuell.de / 22.09.2010 / Politik / Seite 5

Lieber Braunkohle als Atom

Sachsen will Kernkraftbranche stärker schröpfen / Ärger im Bundesrat?

Hendrik Lasch, Dresden
Sachsens Landesregierung will die Gewinne der Betreiber von Atomkraftwerken stärker abschöpfen als im Atom-Kompromiss vorgesehen. Das Ziel: Die im Freistaat geförderte Braunkohle soll attraktiver bleiben.

Ein Minister lässt die Muskeln spielen: Sven Morlok, in Sachsens Kabinett für Wirtschaft zuständig, hat angedroht, der Freistaat könne im Bundesrat die Verabschiedung von Teilen des Energiekonzeptes blockieren, wenn nicht beim Atomkompromiss nachgebessert wird. Die Betreiber der Atomkraftwerke dürften nicht 50 Prozent der zusätzlichen Gewinne behalten, sagte der FDP-Mann im Interview der »Leipziger Volkszeitung«; vielmehr sollten diese bis zu 90 Prozent abgeschöpft werden: »Wenn am Ende ein zusätzlicher Profit von zehn bis 20 Prozent bleibt, wird sich niemand beschweren können.«

Anders als frühere Vorstöße Morloks, der Sachsen etwa in absehbarer Zeit als Geberland im Finanzausgleich sieht, scheint die Initiative mit dem Koalitionspartner CDU abgesprochen zu sein. Eine höhere Gewinnabschöpfung sei im Kabinett bereits Thema gewesen, bestätigte Vize-Regierungssprecherin Sandra Jäschke dem ND. Auslöser seien »zwei für Sachsen wichtige Prämissen«: Die neue Energiepolitik dürfe engergieintensive Unternehmen nicht benachteiligen, und sie müsse »die Nutzung einheimischer Rohstoffe berücksichtigen«.

Was das bedeutet, sagt Morlok unumwunden: Würden die Atomkonzerne stärker geschröpft, profitiert – so die Hoffnung in Sachsen – die Braunkohle. Die Atombranche könne bei stärkerer Gewinnbeschränkung »wirtschaftlich zu dem Ergebnis kommen, die Kraftwerke abzuschalten, weil die Braunkohle günstiger ist«. Umgekehrt fürchtet man im Freistaat Nachteile, wenn Atomstrom stark begünstigt wird. Vom in der Lausitz aktiven Energiekonzern Vattenfall hieß es unlängst, er erwäge wegen des Energiekonzepts im Bund den Rückzug. Das wird zwar inzwischen dementiert; Sorgen aber bleiben.

In der Opposition findet Morloks Ziel Zustimmung, nicht aber sein Motiv. LINKE-Fraktionschef André Hahn sagt, wenn die Atommeiler-Laufzeiten schon verlängert würden, sei es »natürlich gut, dass die Gewinne stärker beschnitten werden«. Der Grüne Johannes Lichdi begrüßte Morloks Widerstand gegen den Atomdeal. Es sei »nicht zu übersehen«, dass die Bundesregierung einseitig die Länder im Südwesten und deren Energiemonopole bevorteile. Allerdings solle mit höheren Abgaben nicht die Braunkohle gerettet, sondern erneuerbare Energien gefördert werden. Zudem dürfe Morlok diesmal »nicht nur die Lippen spitzen«, stichelt Lichdi: »Er muss auch pfeifen.«