nd-aktuell.de / 23.09.2010 / Kultur / Seite 16

Wechselspiele des Lebens

Hubert Haddad: Krieg in Palästina

Manfred Loimeier

Die arabische Literatur zeichnet sich durch eine Verschachtelung mehrerer Handlungsstränge aus, durch Geschichten innerhalb anderer Geschichten. Zu eigen ist ihr auch ein poetisch-sanfter Tonfall, der die Leser auf das Leben blicken lässt, als wäre es immer nur ein anmutiges Märchen. In diesem Stil hat der 1947 in Tunesien geborene, ab dem Alter von drei Jahren in Pariser Vorstädten aufgewachsene Lyriker, Dramatiker und Romancier Hubert Haddad seinen Roman »Falastin« gehalten, für den er mit dem Preis der fünf Kontinente der Frankophonie und dem Prix Renaudot Poche ausgezeichnet wurde.

Wie der Titel des Romans ahnen lässt, spielt »Falastin« in Palästina. Aber der Autor will nicht konfrontieren, sondern zur Versöhnung aufrufen, geht es doch um das Überleben der dort ansässigen Bevölkerung. Araber wie Israelis in einem absurd wirkenden Alltag – Haddad würdigt sie gleichermaßen. Hauptfigur ist der israelische Soldat Cham, der während eines Palästinenserangriffs verwundet wird und seine Papiere verliert. Als er wieder zu sich kommt, befindet er sich in Obhut einer palästinensischen Familie, die ihn für ihresgleichen hält und gegenüber den Besatzern als den lange vermissten Sohn ausgibt. Nessim, wie Cham mittlerweile heißt, fehlt jegliche Erinnerung, die sich erst nach und nach wieder einzustellen beginnt, während er von radikalen Palästinensern auf den Märtyrertod vorbereitet und zurück über die Grenze des Westjordanlands geschickt wird.

Haddad erzählt diese verschlungen scheinende Geschichte schnörkellos und ohne Verwirrungen. Eher beiläufig schildert er die Unmenschlichkeit von Grenzmauern und Attentaten, den Wahnsinn aus Todesangst und Hass, die Irrealität von Hoffnung und Friedenswunsch. Haddads Botschaft, dass wir als Menschen gleich sind und bloß glücklich werden wollen, ist subtil verpackt und nie explizit formuliert. Dass sich die stille Behutsamkeit von Haddads Sprache so unaufdringlich und doch eingängig vermittelt, ist nicht zuletzt das Verdienst der Übersetzerin Katja Meintel, deren Arbeit ebenfalls bereits preisgekrönt wurde.

Hubert Haddad: Falastin. Roman. Aus dem Französischen von Katja Meintel. Edition Nautilus. 159 S., geb., 16 €.