nd-aktuell.de / 04.10.2010 / Politik / Seite 2

LINKE sucht neue Power

Internationaler Kongress der Rosa-Luxemburg-Stiftung »Neue Energie für linke Alternativen« / Nebulöser Programmentwurf und mühsame kommunale Wende

Manfred Schwarz
Die Nachhaltigkeitskonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung thematisierte auch die Frage der Positionierung und der Vor-Ort-Politik der Linkspartei.

Der doppelsinnige Konferenz-Titel fand viel Beifall: »Power to the People« (Alle Macht/Energie dem Volke). Den Untertitel »Neue Energie für linke Alternativen« werden viele so gelesen haben: Linke Ideen brauchen einen neuen Schub an Popularität. Wolfgang Methling (LINKE), Ex-Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, erinnerte daran, dass die Partei schon mal ganz vorn war: 2002 hatte er erstmals das Ziel verkündet, die Bundesrepublik solle sich bis 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen versorgen. Methling erinnerte auch an seine damalige Warnung, die Praxis werde die zögerliche Politik überholen. Seitdem erlebten die Erneuerbaren einen Boom. Selbst der Umwelt-Sachverständigenrat der Bundesregierung bekennt sich nun zum 100-Prozent-Ziel.

Wo einst vorn war, ist jetzt Mainstream – und die LINKE hängt mittlerweile zurück. Im Entwurf ihres Parteiprogramms sei nur nebulös davon die Rede, mittelfristig müsse der »gesamte Energiebedarf aus regenerativen Quellen gedeckt werden«. Das sei »unzureichend«, kritisierte Methling. Noch immer sei das Thema nicht Chefsache. Das wird ab und zu gemildert, wenn sich die Parteispitzen – wie 2007 oder jüngst auf Hamburger Energiekonferenzen – persönlich der linken Power annehmen. Diese Signale halte sie für wichtig, sagte Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Doch sei das Thema in der Partei nach wie vor eine Sache weniger Öko-Lobbyisten.

Es gibt genug Inkonsequenzen in der Energiepolitik der Linkspartei, ob bei Steinkohlesubventionen, CO2-Speicherung oder Ausbau der Stromnetze. Zugleich ist, auch dank vieler Konferenzen in den letzten Jahren, die Ökokompetenz der LINKEN gewachsen. Das wird ihr aber in der Öffentlichkeit nicht angerechnet. Anders bei den Grünen, deren Sündenliste inzwischen lang ist: Der Atomausstieg war, wie man nun sieht, nur eine rückholbare Laufzeitverkürzung; in Hamburg machten sie ihren Frieden mit dem Kohlekraftwerk Moorburg. »Die Grünen können machen, was sie wollen, sie behalten das Image als Umweltpartei«, beschrieb Enkelmann. Den Ausweg sieht sie aber nicht darin, dass die LINKE auch eine Umweltpartei werde – ihr ureigenes Feld sei die Verbindung von Ökologie und Sozialem.

Wie eine energetische Machtergreifung aussehen könnte, referierte Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf. Vor Jahresfrist hatte der Linkspolitiker vorgeschlagen, der Hauptstadt wieder einen kommunalen Versorger, »Berlin Energie«, zu verschaffen. Der erste Schritt wäre die Bündelung vorhandener Erzeugung in städtischen Unternehmen (Müllverbrennung, Solaranlagen, Deponie- und bald auch Biogas). Der nächste wäre, mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge 2013 (Gas) und 2014 (Strom, Wärme) die Kontrolle über die Netze zu übernehmen. Um die Finanzierung macht sich Wolf weniger Gedanken. Kommunalkredite seien für drei Prozent Zinsen zu bekommen, das Netzkapital könne mit Erlaubnis der Bundesnetzagentur bis zu neun Prozent verzinst werden. Mehr Sorgen macht sich Wolf um das Profil von »Berlin Energie«. Das Stadtwerk soll für ihn offenbar eine Art Katalysator der Energiewende werden. Die Ausgangslage ist aber eher ungünstig. In der Hauptstadt werden derzeit nur zwei bis drei Prozent des Energiebedarfs erneuerbar gedeckt, 90 Prozent des Stroms kommt vom Monopolisten Vattenfall. Kommunal ist nicht »per se« ökologisch und sozial, räumte der Senator ein.

Auch die kommunale Machtübernahme braucht ökologische Leitplanken. Wie mühsam dies ist, machte die Debatte über Berlins Landes-Klimaschutzgesetz deutlich. Mit diesem soll u.a. geregelt werden, wie der Wohnungsbestand saniert wird. Muss dies »warmmietenneutral« geschehen? Anders als die Bundeskanzlerin habe die LINKE die wirtschaftlichen und sozialen Folgen zentral zu bedenken, betonte Umweltsenatorin Katrin Lompscher. Sanierungen sollten für Mieter keine oder höchstens geringe Erhöhungen der Warmmiete mit sich bringen. Die jetzigen Möglichkeiten mit der elfprozentigen Modernisierungsumlage und Mieterhöhungen von 20 Prozent in drei Jahren reichten aus.

Über solch konkrete Probleme, wie Soziales und Ökologisches zusammenzubringen wäre, hatte man auf anderen Treffen der Rosa-Luxemburg-Stiftung schon Weitergehendes gehört. Auch im linken Konferenzwesen ist eine gewisse Stagnation nicht zu übersehen – das können auch originelle Titel nicht verdecken.