nd-aktuell.de / 05.10.2010 / Kultur / Seite 32

In der Friedensschule

OLIVER ENKE: »Kikolo – Kindersoldat im Kongo«

Eva Peter

Schon als ich geboren wurde, kamen immer wieder Soldaten in unser Dorf. Sie haben Hütten angezündet und Dorfbewohner getötet oder mitgenommen. Das hat mir meine Mutter erzählt. Mein Vater hat immer gesagt, das würde schon vorbeigehen, wenn wir ihnen geben, was sie wollen.« – Kikolo war acht, als sein Dorf niedergebrannt wurde. Soldaten brachten ihn per Lastwagen in ein Urwaldcamp. »Zusammen mit anderen Kindern habe ich viel gelernt: Essen kochen, Wäsche waschen, Gewehre tragen und auf Menschen schießen ... Wir mussten Zigaretten rauchen und Schnaps trinken ... An Vieles kann ich mich gar nicht erinnern. Ich weiß aber noch sehr genau, dass ich an einem schwülen Nachmittag in einem Dorf auf einen Mann geschossen habe – der war sofort tot.«

Oliver Enke lässt Kikolo erzählen – so, dass man den Eindruck hat, er habe seine Worte auf Tonband aufgenommen. Lakonisch ist der Bericht und dadurch umso beeindruckender. Enke hat genau den Ton gefunden, Lesern nur so viel an Grausamkeiten zuzumuten, wie sie sich vorstellen können. Das ist bei Erwachsenen sehr viel, bei Kindern weniger. Die müssen nicht genau wissen, was dem Mädchen widerfuhr, das weinte, während die Soldaten lachten. Eine gute Idee war es, neben Kikolos Monolog »Infokästen« zu stellen – über Kongo, Lumumba, den »afrikanischen Weltkrieg«, bedrohte Tierarten im Regenwald u.a. Auf nur 32 Seiten eine Unmenge an Gesprächsstoff, was Schulen hoffentlich nutzen werden.

Annalena Kasperek hat kontrastreich farbige Bilder gemalt, die genau zur jeweiligen Stimmung des Erzählten passen: in Braun- und Rottönen, wenn es um Kikolos Gewalterfahrung, mit viel Gelb, wenn es um seine Gegenwart geht.

Diese Gegenwart begann, als Kikolo von Blauhelmsoldaten aufgegriffen wurde und erst einmal etwas zu essen bekam. Ach, wenn mit Kriegsgefangenen doch generell so freundlich umgegangen würde. Dann wäre der Frieden gewonnen! Kikolo darf von nun an in die »Friedensschule« gehen. In Kinshasa gibt es wirklich eine »Lumumba Frie- densschule«, die Kindersoldaten hilft, sich neu zu orientieren. »Wenn ich nachts schlafe, dann träume ich, dass die Soldaten aus dem Camp wiederkommen könnten«, sagt Kikolo. Ganz wird er das Schreckliche, das er sah und tat, wohl nie aus seinem Gedächtnis löschen können. Alle früheren Soldaten in Friedensschulen – schon wieder so eine illusionäre Vorstellung.

Das Buch wurde vom Verein Lebendiges Kongo e.V. und der Leipziger Gruppe von Amnesty International unterstützt. Der Verkaufserlös soll diversen Entwicklungsprojekten in Kongo zugute kommen.

Oliver Enke: Kikolo – Kindersoldat im Kongo. Ill. v. Annalena Kasperek. Militzke Verlag. 32 S., geb., 6 €.