nd-aktuell.de / 07.10.2010 / Brandenburg / Seite 11

Autobahnfans ausgebremst

Aufatmen bei den Gegnern der A 100 / Verlängerung wird Wahlkampfthema

Bernd Kammer

Die Sektkorken haben zwar nicht geknallt, aber ein deutliches Aufatmen war gestern bei den Gegnern des Autobahnbaus nach Treptow zu verspüren. »Das Durchhalten hat sich gelohnt«, freute sich Birte Rodenberg von der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) über den am Dienstag von der rot-roten Koalition verkündeten faktischen Baustopp für die Verlängerung der A 100. Die BISS kämpft seit Jahren gegen das »verkehrspolitisch und stadtökologisch falsche« Projekt und sieht jetzt die »starke Chance, es endgültig zu stoppen«.

Beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht man von einem auch durch den Bund abgesicherten Baustopp, denn Bundesverkehrsminister Peter Peter Ramsauer (CSU) habe gar kein Geld für die A 100 in seinen Haushalt für 2011 eingestellt. Die rund 420 Millionen Euro teure Betonpiste soll aber fast komplett aus seinem Etat kommen. Den rot-roten Kompromiss aber sieht der BUND »mit einem lachenden und einem weinenden Auge«, denn die Planungen für die Autobahn laufen weiter. Darauf bestand die SPD, die sich das Projekt von der Linkspartei nicht komplett ausreden lassen wollte und nach der Wahl im Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 entscheiden will, »ob der Baubeginn politisch durchsetzbar ist«, wie ihr Verkehrsexperte Christian Gaebler sagte.

BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser forderte deshalb Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf, die Planungen ruhen zu lassen. Berlin habe nicht das Geld, »um es für unsinnige Planungen zu verschwenden«. Sollte es zum Planfeststellungsbeschluss und damit zur Baugenehmigung kommen, werden man zusammen mit zahlreichen Anwohnern gegen das »teuerste Straßenprojekt Deutschlands« klagen.

Die Grünen, ebenfalls Gegner des Projekts, warfen Rot-Rot »Trickserei« vor. Die Planfeststellung schaffe Baurecht für die Autobahn und es drohe die Gefahr, dass der Bund als Bauherr dann auch baut, so Fraktionschef Volker Ratzmann. Der LINKEN warf er vor, den Eindruck zu erwecken, gegen die Verlängerung zu sein, in der rot-roten Koalition aber alles zu tun, damit die Bagger rollen könnten.

Diesen Vorwurf will die LINKE nicht auf sich sitzen lassen. »Als die Grünen in der Bundesregierung waren, hatten sie die Möglichkeit, aus dem Projekt auszusteigen«, konterte die verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN, Jutta Matuschek. »Stattdessen wurde das Projekt im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf verankert.« Matuschek ist überzeugt, dass die Autobahn auch nach den Wahlen 2011 politisch nicht durchsetzbar sein wird, »weil wir nicht davon ausgehen, dass CDU und FDP stärkste Parteien werden«. Die LINKE werde jedenfalls weiter gegen das Projekt Front machen. »Wir wollen kein Stuttgart 21 – Augen zu und durch!«

Dass es um die A 100 tatsächlich schlecht bestellt ist, zeigen die Reaktionen der Autobahnfans: CDU-Chef Frank Henkel sprach von einem »schalen Kompromiss«, mit dem Rot-Rot nicht nur ein Großprojekt, sondern die Zukunft Berlins blockiere. Klaus Wowereit (SPD) verlängere nicht die A 100, sondern nur das Elend einer zerstrittenen Koalition. Und für den FDP-Fraktionschef Christoph Meyer verlieren der Regierende Bürgermeister und seine Koalition damit den letzten Rest Legitimität und Glaubwürdigkeit. Der BUND nannte diese Kritik völlig verfehlt. Die Zeit bis zur Wahl sollte genutzt werden, um finanzierbare und ökologisch tragfähige Verkehrskonzepte zu entwickeln.


Chronik der A 100

20. November 2006: SPD und LINKE in Berlin unterzeichnen ihre Koalitionsvereinigung. In dem Papier heißt es: »Der Stadtring A 100 wird verlängert bis zur AS Treptower Park – finanziert durch den Bund.«

Im November 2009 stimmt ein Parteitag der SPD mit knapper Mehrheit gegen den Bau, im Juni 2010 revidiert ein Parteitag diesen Beschluss mit ebenso knapper Mehrheit.

Im April 2010 votiert ein Parteitag der LINKEN mit großer Mehrheit gegen die Verlängerung.

5. Oktober 2010: Führende Vertreter von SPD und LINKE einigen sich, die Entscheidung über den Beginn des Weiterbaus auf die Zeit nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 zu vertagen. Die Planungen sollen aber weitergehen. Dafür will Rot-Rot im November einen Teil des gesperrten Geldes, 1,7 Millionen Euro, wieder freigeben. Das für die Bauausführung geplante Geld bleibt aber weiterhin gesperrt.