Internet reißt Barrieren nieder und baut neue

Neue Informationsmöglichkeiten verändern das Verhältnis zwischen Arzt und Patient

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine dänische Studie hat den Einfluss des Internets auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient untersucht.

Ups, merkwürdige Flecke auf der Haut samt Schwellung? Mal sehen, was Dr. Google dazu sagt. So reagiert eine wachsende Gruppe von Patienten, die bei vermuteten Leiden zunächst das Internet durchforschen.

Der (all-)wissende Arzt hat längst ausgedient, doch der geforderte Expertenpatient, der eine präzise Diagnose aus zugänglichen Informationen stellt, ist trotzdem noch eine Seltenheit. Voraussetzung für eine genaue Suche ist nämlich das Wissen, wonach eigentlich gesucht werden muss und wie das Gefundene zu bewerten ist. Der Patient wird in steigendem Maße mit unsortierten Informationen konfrontiert, was oft in unrealistische Erwartungen zu Behandlungsmöglichkeiten und Heilungsaussichten mündet. Im schlimmsten Fall schlägt der Patient dem Arzt Behandlungen vor, von denen dieser noch nie gehört hat, was dessen fachliche Autorität untergräbt und zu einem abweisenden Verhalten gegenüber einem als Problem aufgefassten Patienten führt. Studien haben gezeigt, dass der internetsurfende Patient beim Arzt mehr Zeit beansprucht, dass Konsultationen länger und teurer werden.

Negativ auf eine Behandlung wirkt sich auch aus, wenn der Patient sein erworbenes Halbwissen gegenüber dem Arzt zurückhält. Dann lässt er offen, ob und in welchem Umfang er der vorgeschlagenen Behandlung folgen wird. Hier entwickelt sich eine Verhandlungssituation, die dazu führen kann, dass der Patient so viele Ärzte aufsucht, bis er einen Mediziner gefunden hat, der sich seinen Wünschen beugt.

Der Verbraucherpatient, so das Ergebnis einer aktuellen dänischen Studie, spiegelt im gewissen Umfang die Gesellschaftsentwicklung wider. Eine ähnliche Rolle spielen Patientenvereine, die um bestimmte Krankheiten herum aufgebaut werden. In Foren werden Krankheitsverläufe und Medizindosierungen ausgetauscht, die falsche Erwartungen oder Forderungen auslösen können, die der Arzt nicht erfüllen kann.

Generell kritisch bewertet die Studie die im Internet zur Verfügung stehenden Quellen. Die meisten Homepages werden von Firmen und Organisationen mit kommerziellen Interessen betrieben. Das Marketing der Pharmaunternehmen beeinflusst das Denken der Patienten. Deshalb, so die Studie, ist es wichtig für die Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörden in der EU, dem Druck der Industrie zu widerstehen, die sich gern direkt an die Patienten wenden möchte. Das Gesundheitswesen müsse sich die Aufgabe stellen, Informationen auf solider wissenschaftlicher Grundlage der Öffentlichkeit zu präsentieren und den Bekanntheitsgrad wirklich unabhängiger Quellen wesentlich zu verbessern.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal